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Eklat bei China-Spiel

Als Tibet-Aktivisten ihre Fahnen entrollen, verlassen die Spieler den Platz. Der DFB pocht nun auf die Meinungsfreiheit.

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© Kremser/Simon

Von Alexander Sarter

Klaus Schlappner lief erst zeternd über die Bezirkssportanlage im Mainzer Stadtteil Mombach, dann platzte dem 77-Jährigen der Kragen. „Ich bin hergekommen, um ein Fußballspiel zu sehen – und nicht, um darüber zu diskutieren, ob wir ein Flüchtlingsproblem haben“, wetterte der frühere Trainer der chinesischen Nationalmannschaft. Die Premiere wurde zum Politikum: Beim Auftakt der Gastspiele der chinesischen U20-Auswahl gegen deutsche Regionalligisten kam es zum Eklat.

Das Testspiel beim Regionalligisten TSV Schott Mainz stand am Samstag dicht vor dem Abbruch, nachdem Chinas Nachwuchskicker den Platz verlassen hatten. Was war passiert? Sechs Aktivisten der Tibet-Initiative Stuttgart hatten während der ersten Halbzeit einige Tibet-Fahnen ent-rollt. Daraufhin weigerten sich die Gäste aus dem Reich der Mitte weiterzuspielen und verließen den Platz. Erst nach einer knappen halben Stunde kehrten sie zurück. „Man fühlt sich schlecht, wenn sich die Gäste provoziert fühlen“, sagte Ronny Zimmermann, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Verständnis für die Überreaktion hatte er aber nicht und forderte die Verantwortlichen aus China zu mehr Gelassenheit auf. „Wir leben in Deutschland. Da gelten die Meinungsfreiheit und bestimmte Gesetze“, sagte Zimmermann. „Als Gast sollte man gelassen damit umgehen und über solchen Aktionen stehen.“ Doch die chinesische Delegation brachte ihren Unmut nach der Partie, die Mainz mit 3:0 gewann, deutlich zum Ausdruck. „Die Mannschaft ist nach Deutschland gekommen, um sich im Fußball zu verbessern und Erfahrungen zu sammeln. Ich hoffe, dass es um Fußball geht und um nichts anderes“, sagte Trainer Sun Jihai. Zimmermann erklärte für den DFB: „Wir verurteilen es, den Fußball für bewusste Provokationen gegen unsere Gäste zu missbrauchen.“

Die Zuschauer, die mit ihren Tibet-Fahnen für große Aufregung im chinesischen Lager sorgten, sehen das anders. „Wir wollen auf die unrechtmäßige und gewaltsame Besetzung Tibets und die Unterdrückung der fundamentalen Menschenrechte aufmerksam machen“, begründete ein Aktivist die Aktion und betonte: „Wir haben hier das Recht auf freie Meinungsäußerung.“ Darauf hatte der DFB die Gäste im Vorfeld des mehrmonatigen Aufenthaltes in Deutschland auch explizit hingewiesen.

Erst als die Aktivisten die Tibet-Fahnen freiwillig wieder einrollten, konnte das Spiel, das live in China übertragen wurde, vor 400 Besuchern fortgesetzt werden. „Wegen uns mussten sie die nicht einpacken“, erklärte Schott-Manager Till Pleuger nach dem Spiel. „Keiner im Verein hat Druck auf sie ausgeübt.“ Die Polizei war nicht eingeschritten, da der Protest laut eines Sprechers „eindeutig durch die Meinungsfreiheit gedeckt“ war. Weitere Zwischenfälle blieben aus.

Das DFB-Projekt ist umstritten. 16 von 19 Vereinen der Regionalliga Südwest haben dennoch grünes Licht für die Kooperation mit Chinas U 20 gegeben, nur Waldhof Mannheim, die Stuttgarter Kickers und TuS Koblenz beteiligen sich nicht. Die anderen tragen freiwillig je ein Testspiel gegen die Gäste aus Fernost aus, die sich so auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio vorbereiten wollen. Jeweils 15 000 Euro erhalten die Klubs dafür. Am nächsten Samstag gastieren die Chinesen beim FSV Frankfurt. Verschärfte Einlasskontrollen will der DFB dann trotz des Eklats zum Auftakt nicht durchführen. (sid, mit dpa)