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Eiskalt abgebrüht

Die Eisbader haben sich in den null Grad kalten Natursee Copitz gestürzt. Es war womöglich das letzte Mal vor Publikum.

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© Daniel Förster

Von Katarina Gust

Pirna. Das haut selbst den hartgesottenen Eisbader um. Ganze zehn Minuten planschen Sabine und Harald Linke im Natursee in Pirna-Copitz. Mit Spitzenschirm in der Hand steigen die beiden Dresdner ins Wasser. So als wäre es Sommer, als hätte der See Badewannentemperatur. Doch das hat er nicht. Gerade mal 0,5 Grad Celsius zeigt das Thermometer an. Was für andere unvorstellbar ist, ist für die Pirnaer Eisbrecher des VfL Pirna-Copitz ein wahres Vergnügen. Winterschwimmen heißt ihre Leidenschaft, die sie am Sonnabend vor etwa 500 dick angezogenen Zuschauern ausgelebt haben.

Knapp 50 wagemutige Eisbader waren für dieses Spektakel an den Natursee gekommen. Bevor sie das Wasser testen konnten, musste jedoch ein Experte ran. Eisinspektor Micha von den Pirnaer Eisbrechern war der Erste, der nass wurde. Er stieg mit Zollstock und Thermometer in den Natursee. Seine Mission: Temperatur und Eisdicke messen. Letztere hatte es in sich. Ganze 21 Zentimeter dick ist die Schicht, die sich übers Wasser gelegt hatte. Die Feuerwehr musste deshalb schon vormittags ran, um den Eisbadern ein entsprechend großes Wasserloch herauszusägen.

Der Aufwand hat sich gelohnt. Unter dem Beifall des Publikums, Böllerschüssen und einem dreifachen „Eis frei“ gingen die Winterschwimmer nacheinander baden. Nicht nur Pirnaer waren darunter. Aus Bayern, Berlin, Riesa, Öderan, Bischofswerda und Meißen pilgerten die Hartgesottenen für diesen Spaß nach Copitz.

Keiner hielt es jedoch so lange im Wasser aus wie Sabine und Harald Linke, besser bekannt als „Duo Eiskalt“.

„Reine Gewöhnungssache“, sagt Harald Linke. Die Haut könne trainiert werden. Und das machen die beiden regelmäßig. Solch einen Sonnenschein wie an diesem Sonnabend haben sie nicht immer. „Unser Kälterekord liegt bei minus zehn Grad Lufttemperatur“, sagt Sabine Linke. Doch auch sie bräuchten nach solch eisigem Bad einen heißen Tee, um sich wieder aufzuwärmen.

Um so abgehärtet zu sein, muss regelmäßig trainiert werden. Die Pirnaer Eisbrecher treffen sich in der Saison einmal die Woche, um im Natursee zu schwimmen. Zwischen September und April steigen sie immer dienstags, 17.30 Uhr, ins Wasser. Dann allerdings nicht so bunt kostümiert wie an diesem Wochenende, sondern mit praktischer Stirnlampe. „Das Eisbaden hält jung und fit“, sagt Rolf Reichel, Abteilungsleiter der Winterschwimmer beim VfL Pirna-Copitz. Seit 30 Jahren gehört er zum harten Kern der Eisbader. Insgesamt 15 Mitglieder hat die Abteilung. Der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 69 Jahren. Und genau das ist ein Problem. „Unsere Generation läuft langsam aus“, sagt Rolf Reichel wehmütig. Es fehlt an Nachwuchs.

Auch andere Klubs hätten Schwierigkeiten, die eigenen Reihen zu verjüngen. Einige hätten schon aufgegeben. „Nur in Großstädten wie Berlin zieht das noch“, weiß der Pirnaer. Dabei kommt das Eisbaden beim Publikum an. Laut Reichel wären noch nie so viele Zuschauer bei dem Spektakel gewesen wie an diesem Sonnabend. „Das ist neuer Rekord“, sagt er. Der sicherlich auch dem traumhaften Wetter geschuldet war. „Trotzdem war es vielleicht das letzte Mal“, sagt Reichel. Ob es erneut ein Winterschwimmen geben wird, da ist er skeptisch. Die Organisation sei kompliziert. Mit seinen 74 Jahren sei er nicht mehr der Jüngste. „Manchmal ist es besser, aufzuhören, wenn es am Schönsten war“, sagt er mit Blick auf die vielen Zuschauer.