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Eisenstemmer auf Abwegen

Ex-Gewichtheber Frank Mavius hält sich auch ohne Hanteln fit – und hilft beim wichtigsten deutschen Turnier in Meißen.

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© privat

Von Jochen Mayer

Ausdauersport ist nichts für Gewichtheber. Die lassen ihre Muskeln spielen, explosiv, schnellkräftig. Ewiges Kofferschleppen ist ihnen dagegen ein Graus. Frank Mavius schlägt aus der Art. Der einstige Vizeeuropameister im Bantamgewicht meisterte sogar den jüngsten Engadin-Skimarathon in weniger als drei Stunden. Und der Dresdner genießt lange Klettertouren, wanderte in Nepal mit Blick auf den Mount Everest in dünnere Luft. Aber trotz aller Konditionsausflüge hält er seiner alten Liebe die Treue.

1983 gewann er beim Meißner Schwerter-Turnier in seiner Gewichtsklasse.
1983 gewann er beim Meißner Schwerter-Turnier in seiner Gewichtsklasse. © SZ/Volker Santrucek

Schuld daran sind auch Traditionen. Die bleiben in Erinnerung, zumindest einige Zeit. Aber sie verblassen, wenn sie nicht gepflegt und gehegt werden. Davon können die Meißner ein Lied singen. Die hatten mal einen weltberühmten Gewichthebertreff organisiert, das Turnier der Blauen Schwerter. Die Zeichen der Porzellanmarke lockten die weltbesten Eisenstemmer in der Hoffnung, die teure Trophäe aus weißem sächsischen Gold zu gewinnen.

Nachwuchs-Rekord beim Pokal

„Sie kamen aber auch gerne wegen der grandiosen Atmosphäre in Meißen“, sagt Frank Mavius fast schwärmerisch. Der einstige Heber vom SC Einheit Dresden gehörte zu den Pokalgewinnern, wenn es auch „nur“ die Trophäe für den Rekord des besten Nachwuchsmannes war. Jetzt hat der Vorruheständler das vor sieben Jahren neu belebte Turnier wieder mehr ins Herz geschlossen. Der gebürtige Görlitzer gehört zum Organisationsteam, in dem zunehmend Dresdner und Meißner Ex-Gewichtheber mitarbeiten.

Er staunt nun, wie viele Details zu klären sind. „Das hatten wir früher als Athleten nicht wahrgenommen, was alles am Turnier hängt“, gesteht der 62-Jährige. „Als Sportler sieht man nur das Angenehme oder was nicht klappt. Jetzt merke ich, wie viele Teufel im Detail stecken.“ Da wollen die gut 90 Turnier-Sponsoren aus der Region ernst genommen werden, müssen Bedingungen für Heber und Zuschauer passen, soll für das Turnier an diesem Samstag geklingelt werden. Das wird erstmals in der umgebauten einstigen Schwimmhalle ausgetragen. „Wir ziehen aus dem alten Wellblechdom aus, in dem die Wände mitgehoben haben“, erzählt Frank Mavius. „Diese Stimmung dort vergisst man nicht. Wem das früher gefallen hat, der kommt auch jetzt wieder, selbst wenn wir im Sportzentrum nun praktisch über die Straße umziehen.“ 380 Zuschauerplätze wird es geben.

Beim Meißner Turnier starten nur Heber, die willkommen sind. Eine Einladung erhielten 15 Medaillengewinner der vergangenen EM. Das Starterfeld soll aber nicht nur erfolgreich sein, sondern auch sauber. Das dürfte wohl neben dem Finanzplan das größte Problem sein in der dopingbelasteten Sportart, wo dutzendfach Athleten bei Kontrollen und Nachproben auffällig waren. Besonders betroffen sind Osteuropäer und Heber aus einigen ehemaligen Sowjetrepubliken.

Das stellt die Meißner vor Herausforderungen. „Wir halten uns bei den Einladungen an die politische Linie des Verbandes“, erklärt Mavius. „Wir können nicht auf der einen Seite für sauberen Sport werben, ganz prinzipiell gegen Doping sein – und auf der anderen Seite verdächtige Sportler hofieren.“ Deshalb werden einige Länder gar nicht erst eingeladen. Aber Meißen bietet trotzdem kein Turnier unter Westathleten. „Wir laden auch Tschechen, Polen, Letten und Ungarn ein“, sagt der langjährige Angestellte einer Krankenkasse, weil er einerseits keine Vorurteile pflegen will, andererseits immer wieder neu enttäuscht wurde von gehäuften Dopingfällen, die sogar die olympische Existenz des Gewichthebens in Gefahr bringen.

So wurde die Europameisterschaft Ende März kurzfristig von Tirana nach Bukarest verlegt, weil drei gedopte Albaner aufgeflogen waren. Von den Bukarest-Siegern kommen Joanna Lochowska und Arkadiusz Michalski (beide Polen) nach Meißen. Der zweifache Pokalsieger Bernadin Kingue Matam aus Frankreich ist wieder dabei. Titelverteidiger Max Lang aus Chemnitz musste wegen einer Adduktorenverletzung dagegen absagen, er wird jedoch den Livestream kommentieren.

Dass Gewichtheben auch Freude machen kann, beweist Jon Luke Mau. Der Junioren-EM-Dritte aus Frankfurt an der Oder hat gute Chancen, ein Publikumsliebling zu werden, schlägt nach gelungenen Versuchen Freudensalti.

Leichte Mädchen – schwere Jungs

Mehr als 30 Heber aus zehn Nationen treten bei der Nachmittags- und der bereits ausverkauften Abendveranstaltung an. Dabei kann der Gesamtsieger schon nachmittags seinen Auftritt haben. Möglich macht dies die Wertung nach Relativpunkten, mit der sich die verschiedenen Gewichtsklassen vergleichen lassen. „So kann es sein, dass am Ende das leichteste Mädchen gegen den schwersten Jungen gewinnt“, sagt Mavius. Das ist nicht immer auf den ersten Blick zu verstehen, deshalb kommentiert der zweifache Olympiazweite Marc Huster das Turnier. Er wird auch Ehrengast Ronny Weller interviewen. Der Olympiasieger ist der deutsche Gewichtheber des 20. Jahrhunderts und zweifacher Sieger des Meißner Turniers.

Der AC Meißen will mit der 29. Auflage der Blauen Schwerter Traditionen pflegen. Und nebenbei ist es das einzige große internationale Heberturnier in Deutschland – das soll es auch bleiben.

www.pokal-der-blauen-schwerter.de; www.facebook.com/pokalderblauenschwerter