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Einwohnerplus – aber mit Flüchtlingen

Die Zahlen sehen gut aus. Trotzdem sind die Verwaltungen von Euphorie weit entfernt. Die Stadt muss weiterdenken.

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© Dietmar Thomas/Archiv

Von Heike Heisig

Roßwein/Striegistal. Theoretisch haben die Roßweiner allen Grund zum Jubeln. Die Einwohnerzahl ist gewachsen, und das nicht wegen der Eingemeindung von Nachbarortschaften wie zuletzt von Niederstriegis im Jahr 2013. Doch praktisch wächst die Stadt nicht wegen des Zuzugs von Familien, die sich Roßwein oder einen Ortsteil als neuen Lebensmittelpunkt gewählt haben. „Die positive Entwicklung kann letztlich auf die in Roßwein lebenden Menschen mit Migrationshintergrund zurückgeführt werden“, erklärt Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) die steigenden Zahlen.

Zum Jahreswechsel 2014 lebten laut Statistischem Landesamt in Roßwein 7 574 Einwohner. Allein im ersten Halbjahr 2015 war ein Plus von 51 Einwohnern zu verzeichnen. Nur zwei mehr sind für die Große Kreisstadt Döbeln registriert worden, in den meisten anderen Kommunen Mittelsachsens sank die Einwohnerzahl. Bis zum Jahresende sind dann sogar noch einmal 92 weitere Einwohner für Roßwein dazugekommen. Damit waren am 31. Dezember 2015 insgesamt 7 717 Einwohner für Roßwein registriert. „Davon waren allein 266 Migranten“, detailliert der Rathauschef mit ihm vorliegenden Zahlen. Die decken sich mit den Angaben der Kapazität der Flüchtlingsunterkunft an der Döbelner Straße. Nach anfänglich 100 Personen leben dort in mehreren Gebäuden jetzt rund 260 Männer, Frauen und Kinder. Einige wenige Migranten hatten aber auch vorher schon in Roßwein gelebt, wobei die Zahl nach Angaben von Veit Lindner vor der Eröffnung des Flüchtlingsheimes verschwindend gering gewesen ist.

Hoffnung auf Geld

Zunächst freut sich der Bürgermeister über die steigende Einwohnerzahl. Von jedem Roßweiner mehr erhofft er sich ein paar Euro mehr in der Stadtkasse und verweist auf die Schlüsselzuweisungen. Für deren Berechnung werden auch Einwohnerzahlen hinzugezogen. Aber nicht nur. Wichtig sind auch viele andere Dinge wie die Steuerkraft. „Eine pauschale Größe, das es pro Einwohner so und so viel Geld vom Land gibt, kann man nicht nennen“, sagt Francis Kuhnke, der Finanzchef der Gemeinde Striegistal. Auch dort macht sich offenbar die große Bewegung, die es in Sachen Flüchtlingen gibt, bemerkbar. Laut Statistik lebten zum 31. Dezember 2014 insgesamt 4 865 Menschen in den Ortsteilen. Zum 30. Juni 2015 waren es 27 weniger. Doch die Bilanz am Jahresende sieht anders aus. Im Meldeamt waren per 31. Dezember 2015 in Striegistal 4 956 Einwohner registriert. Mit den amtlichen Zahlen aus Kamenz, wo das Landesamt sitzt, rechnet die Kommune erst Mitte dieses Jahres.

Auch Striegistal gewinnt

Striegistal hat schon rund 20 Jahre ein Flüchtlingswohnheim im Ortsteil Mobendorf. Doch auch dort sind im vergangenen Jahr immer wieder Neuzugänge zu verzeichnen gewesen. Insgesamt war die Gemeinde vor einiger Zeit unter die 5000-Einwohner-Grenze gerutscht. Das hatte den Räten durchaus einige Sorgenfalten auf die Stirn gezeichnet.

Roßwein wie Striegistal können von den Flüchtlingsströmen dauerhaft nur profitieren, wenn sich Asylbewerber mit Bleiberecht entscheiden, in der Stadt oder in der Gemeinde sesshaft zu werden, sie Wohnung und Arbeit finden. Dabei zu unterstützen, wird für alle eine Herausforderung werden, prognostiziert Roßweins Bürgermeister. „Abgesehen davon müssen wir aber auf Zuzug durch junge Familien setzen“, findet Veit Lindner. 2015 hat die Stadt 684 Zuzüge verzeichnet, aber auch 459 Wegzüge. 54 Mädchen und Jungen sind geboren worden, aber mehr als doppelt so viele Menschen (120) sind gestorben. Ohne die Flüchtlinge hätte sich die Tendenz der Vorjahre sicher fortgesetzt. Nach Angaben des Bürgermeisters musste Roßwein mit einem jährlichen Einwohnerverlust zwischen 1 und 1,5 Prozent klarkommen.