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Einträgliche Einnahmequelle

Raser haben dem Landkreis Bautzen 2016 mehr als 2,5 Millionen Euro eingebracht. Ein Blitzer arbeitet besonders fleißig.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Der Spitzenreiter des Jahres ist ein roter VW Passat. Fotografiert wird er am 25. April, 14.51 Uhr, vom stationären Blitzer an der B 6 in Plotzen. Mit 122 Stundenkilometern rast der Fahrer in diesem Moment durch die Ortschaft. Am helllichten Tag. Es ist die höchste Geschwindigkeitsüberschreitung, die 2016 im ganzen Landkreis Bautzen gemessen wird. Der Fahrer des roten Passat wird dafür einen hohen Preis zahlen: 680 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg, drei Monate Fahrverbot.

Das wird dem Mann hoffentlich eine Lehre sein, sagt René Burk, der Ordnungsamtsleiter im Landratsamt. Und hoffentlich nicht nur ihm: Fast 83 000 Zahlungsaufforderungen haben seine Mitarbeiter im vorigen Jahr an Kraftfahrer verschickt, die zu schnell gefahren und dabei geblitzt worden sind. 73 000 Fotos haben die Kollegen aus dem Ordnungsamt und die stationären Blitzer voriges Jahr aufgenommen, fast 10 000 weitere hat die Polizei zur Bearbeitung ans Landratsamt geschickt.

Mehr als 2,5 Millionen Euro Verwarn- und Bußgelder hat der Landkreis 2016 von den Zu-schnell-Fahrern eingenommen. Ein einträgliches Sümmchen. Zwar weniger als im Kreishaushalt eingeplant, aber das spielt keine Rolle. Die Planzahl ist für uns keine Vorgabe. Sie ist ein Erfahrungswert, erklärt der Ordnungsamtschef. Bedenklich genug. Das Geld, betont er, ist höchstens der angenehme Nebeneffekt im Kreishaushalt. „An erster Stelle steht für uns ganz klar die Sicherheit“, sagt Burk. Das klingt nicht nach Phrase. Wer mit 122 Stundenkilometern durch die geschlossene Ortschaft rast, der muss dafür auch bestraft werden.

Die Starkasten-Hitliste 2016

Platz 9: Pulsnitz (S 95)

Anzahl Überschreitungen: 1.318

Summe Bußgelder: 24.500 Euro

Platz 8: Ottendorf-Okrilla (B 97)

Anzahl Überschreitungen: 1.944

Summe Bußgelder: 33.000 Euro

Platz 7: Cölln (B 96)

Anzahl Überschreitungen: 2.636

Summe Bußgelder: 45.000 Euro

Platz 6: Maukendorf (B 96)

Anzahl Überschreitungen: 3.280

Summe Bußgelder: 49.900 Euro

Platz 5: Göda (S 111; ehemals B 6)

Anzahl Überschreitungen: 3.590

Summe Bußgelder: 58.000 Euro

Platz 4: Rascha (B 96)

Anzahl Überschreitungen: 5.913

Summe Bußgelder: 95.100 Euro

Platz 3: Panschwitz-Kuckau (S 100)

Anzahl Überschreitungen: 5.346

Summe Bußgelder: 104.000 Euro

Platz 2: Putzkau (B 98)

Anzahl Überschreitungen: 7.220

Summe Bußgelder: 137.500 Euro

Platz 1: Plotzen (B 6)

Anzahl Überschreitungen: 10.312

Summe Bußgelder: 206.500 Euro

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Der Mann ist ja auch nicht der einzige gefährliche Raser: Das zeigt die hohe Zahl von 936 Fahrverboten, die das Ordnungsamt nach Geschwindigkeitsmessungen ausgesprochen hat. Um sich ein Fahrverbot einzuhandeln, muss jemand schon schneller als mit 80 km/h durch eine Ortschaft gefahren sein. „Das ist doch unverantwortlich“, sagt René Burk. „Da können wir doch froh sein, das wir so einen erwischen.“

18 Blitzer, neun Kameras

18 stationäre Blitzer stehen an den Straßen des Kreises, alle innerhalb von Ortschaften. Geht es nach Anwohnern und Bürgermeistern, könnten es sogar noch viel mehr sein. Denn dort, wo ein Blitzer steht, beruhigt sich der Verkehr prompt – völlig unabhängig davon, in welche Fahrtrichtung der Starkasten gerade gedreht ist. „Das ist nicht nur gefühlt so“, sagt Burk. „Dazu gibt es sogar wissenschaftliche Untersuchungen.“

Deshalb ist es aus Sicht des Ordnungsamtsleiters auch gar nicht nötig, dass die teure Technik an allen 18 Standorten ständig im Einsatz ist. Das ist ohnehin nicht möglich, denn es stehen zwar 18 Anlagen an den Straßen, es gibt aber nur neun Kamerasysteme. Die werden abwechselnd an den Standorten eingesetzt, je nachdem, an welchem es gerade mal wieder nötig ist.

Wo keine stationären Blitzer stehen, steht ab und zu einer der drei dunkelblauen Skoda Roomster. Oder die Verkehrsüberwacher des Ordnungsamts stellen ihre berüchtigte „Tonne“ an den Straßenrand, ein Messgerät, das wie eine abholbereite graue Mülltonne aussieht.

Neuerdings haben sie auch noch ein fünftes mobiles Gerät zur Verfügung. Der „Traffistar 350“ ist ein fleißiger kleiner Laser-Kasten auf einem Kamerastativ, der in beide Fahrtrichtungen gleichzeitig blitzen und sogar in Kurven messen kann, wo die herkömmliche Technik versagt. Obwohl der „Traffistar“ erst seit ein paar Wochen im Einsatz ist, hat er schon 3  667 Fotos geschossen. Gerechnet auf die Einsatzzeit ist er damit unter allen Blitzern der fleißigste. „Vielleicht liegt das ja auch nur daran, dass die Leute das Gerät noch nicht kennen und deswegen auch nicht wahrnehmen“, vermutet René Burk.

Kennzeichen: BZ-XH

Wenn es nach ihm ginge, würde er den Leuten sogar ankündigen, wann wo welcher Blitzer steht. Es stört ihn auch nicht, wenn die Standorte seiner Kollegen im Radio gemeldet werden. „Wir verstecken uns nicht. Das haben wir gar nicht nötig“, sagt er. Die dunkelblauen Skoda Roomster stehen ohnehin immer schon von Weitem sichtbar am Straßenrand. Im Ordnungsamt hat auch niemand ein Problem damit, dass sich die Kennzeichen längst herumgesprochen haben: BZ-XH 50, 60 und 70. Das können sich ruhig alle merken, sagt René Burk. Einer, der vorschriftsmäßig fährt, sei ihm lieber als einer, der geblitzt wird. Man glaubt es ihm.

Dass es an der Arbeit der Verkehrsüberwacher im Kreis Bautzen so gut wie nichts zu kritisieren gibt, hat sich auch längst herumgesprochen. Unfaire Abzocke? Messfehler? Hinterlist? Fehlanzeige. Gegen die weit über 80 000 Zahlungsaufforderungen, die die Mitarbeiter des Ordnungsamts 2016 verschickt haben, hat es 696 Einsprüche gegeben. 551 Verfahren sind bis vorm Amtsgericht gelandet. 27 Einsprüchen hat das Gericht stattgegeben. In einem Fall beispielsweise ist der beschuldigte Fahrer vor Gericht mit seinem Zwillingsbruder erschienen. Ähnlichkeit verblüffend. René Burk zuckt mit den Schultern: „Wir hätten nachweisen müssen, wer von den beiden am Steuer gesessen hat. Der Aufwand hätte in keinem Verhältnis gestanden.“

Seit dem vorigen Jahr übrigens können Bußgeldbescheide nun auch in Polen und Tschechien problemlos zugestellt werden. Dafür arbeitet das Landratsamt mit den Behörden in den Nachbarländern zusammen. „Die meisten bezahlen anstandslos“, freut sich der Ordnungsamtsleiter.