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Einsatz mit Folgen

Nach Kritik am Vorgehen auf dem Kornmarkt in Bautzen untersucht die Polizeidirektion das Verhalten der Beamten.

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© Archivfoto: SZ

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Sechs Straftaten, 24 aufgenommene Personalien – das ist die Bilanz des jüngsten Einsatzes der Polizei auf dem Bautzener Kornmarkt. In der Nacht zu Freitag gerieten rund um den zentralen Platz wieder einmal Deutsche und junge Asylsuchende aneinander. Fast drei Stunden waren die Beamten gefordert, immer wieder mussten sie dazwischengehen. Am Tag danach wertet die Polizei ihr Vorgehen als Erfolg. Rasch und konsequent habe man eine Eskalation verhindert. Doch zeitgleich werden Vorwürfe gegen die Beamten laut: Beteiligte und Zeugen beklagen ein einseitiges Vorgehen gegen die jungen Ausländer. Zudem seien sie von den Polizisten beschimpft und beleidigt worden. Die Polizeidirektion Görlitz prüft den Vorgang.

Rückblende: Es ist kurz nach halb elf, als sich am Donnerstagabend die Lage auf der Platte zuspitzt. Ein 34-jähriger Deutscher und drei junge Flüchtlinge im Alter zwischen 17 und 21 Jahren liefern sich ein Wortgefecht und müssen von Polizisten getrennt werden. Im Anschluss kommt es auf dem Platz und den umliegenden Straßen immer wieder zu Auseinandersetzungen und Handgreiflichkeiten. Am Tag danach dokumentiert die Polizei die Vorfälle in einer Pressmitteilung beinah minutiös.

Handyvideo im Internet

Zu lesen ist auch von einem Streit am Wendischen Graben zwischen einem 18-jährigen Deutschen und einem gleichaltrigen Libyer. Laut Polizei soll der Libyer dabei ein Pfefferspray gezückt haben. Die Beamten seien daraufhin dazwischengegangen. Der Libyer rannte davon, konnte aber kurz darauf gestellt werden. Ein Pfefferspray fanden die Beamten bei ihm nicht. Soweit die offizielle Version. Ganz anders schildert eine Augenzeugin die Szene – nachzulesen in einem Bautzener Internetblog.

Die junge Bautzenerin schildert dort, sie habe übers Telefon von den Vorgängen auf der Platte erfahren. Nur zwei Minuten später sei sie am Ort des Geschehens eingetroffen und habe gesehen, wie „eine Gruppe von ca. 20 schreienden Männern“ dem jungen Libyer hinterhergerannt sei. „Dieser lief mit erhobenen Händen davon und gleichzeitig stürmten etwa acht Polizisten“ auf ihn ein, schildert die Bautzenerin ihre Beobachtungen. Ein Beamter habe den Mann zu Boden geworfen und ihm Handschellen angelegt. Die Polizisten hätten den jungen Geflüchteten dabei als „Wichser“ beschimpft, so der Vorwurf der jungen Frau. Zugleich hätten ihr die Beamten klargemacht, dass sie abhauen soll. „Weil ich mich beschwerte, wie er mit mir redet, antwortete mir ein Polizist: Fick Dich!“.

Im Netz kursiert überdies ein Video, das die Situation zeigt. Das mit einem Handy aufgenommene Video war von einer rechtsextremen Seite auf Facebook verbreitet worden. Während Polizisten den Libyer festhalten, ist deutlich das Wort „Wichser“ zu hören. Zudem zeigt das Video, wie ein Beamter den 18-Jährigen beim Abführen in Handschellen von hinten am Hals packt und rabiat nach unten drückt.

Später im Polizeiauto, auf der Fahrt zu seiner Asylunterkunft sei er weiter beleidigt worden, sagt der Flüchtling. Nach Informationen der Sächsischen Zeitung und von MDR Exakt drohte einer der Beamten mit den Worten: „Sonst wirst du mal deutsche Härte erleben“. Zugleich fiel der Satz: „Wenn wir uns so verhalten würden in eurem Land, dann wären wir alle tot.“

Bei der Polizeidirektion Görlitz sind die Vorwürfe aus dem Blog und das Video bekannt. „Auf Grundlage der uns zurzeit vorliegenden Faktenlage können wir die den Polizeibeamten vorgeworfenen Handlungen weder bestätigen noch ausschließen“, sagt Sprecher André Schäfer. Anzeigen oder Beschwerden liegen der Polizei nicht vor. Seit Montag ermittle aber die Kriminalpolizei. Der Leiter der Polizeidirektion, Torsten Schultze, habe entschieden, die Vorwürfe gegen die eingesetzten Polizeibeamten prüfen zu lassen.

Politiker fordern Aufklärung

Die Polizei setzt auf detaillierte Aufklärung. „Im Rahmen der Ermittlungen wird sicherzustellen sein, dass alle Beteiligten Gehör finden“, sagt André Schäfer. Die Betreiberin des Blogs sei bereits am Dienstagvormittag vernommen worden.

Eine Aufklärung der Geschehnisse erwarten unterdessen auch lokale Politiker. „Ich bin bestürzt, dass es erneut zu Gewalt auf der Platte gekommen ist. Ich kann nicht glauben, dass engagierte Bürger von der Polizei beleidigt werden. Das muss aufgeklärt werden“, sagt die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Die Linke). Jens Bitzka, Chef der Grünen im Landkreis, kündigt bereits ein Nachspiel im Landtag an. „Ich gehe davon aus, dass unserer innenpolitischer Sprecher Valentin Lippmann das Thema ansprechen wird“, so Jens Bitzka.