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Einmal Bulgur, bitte!

In der Altstadt eröffnete jetzt ein Laden mit orientalischen Lebensmitteln. Die syrischen Inhaber haben weitere Pläne.

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© Frank Baldauf

Von Mareike Huisinga

Pirna. Wer gerne exotisch kocht und genießt, hat jetzt eine gute Adresse in Pirna. Vor einer Woche eröffnete ein neues Geschäft auf der Dohnaischen Straße 80, das sich auf orientalische Lebensmittel spezialisiert hat. In dem Laden gibt es unter anderem Couscous, Bulgur, Halva, eine süße Sesamspezialität, getrocknete Sonnenblumenkerne, kandierte Datteln und Orangen-Blütenwasser. Der Duft nach fremdländischen Gewürzen erinnert ein wenig an einen Basar in Ägypten. Mit dem Geschäft haben sich Hiba Ammar und Rafael Sleimann selbstständig gemacht. Das Paar stammt aus Syrien und wohnt seit ungefähr anderthalb Jahren in Pirna. „Wir haben festgestellt, dass es solch ein Angebot noch nicht gibt und wollten diese Lücke füllen“, sagt Hiba Ammar in ziemlich gutem Deutsch. Die Sprachkenntnisse erstaunen nicht, denn sie hat schließlich Deutsch studiert.

Die Geschichte des Ehepaares ist nicht ohne Tragik. Beide lernten sich in Libyen kennen, wo Hiba Medizin studierte und Rafael als Schweißer und in der Ölbranche arbeitete. Nach der Heirat wollten sie wieder zurück in ihre Heimat Syrien. Dort tobt jedoch bis heute der Bürgerkrieg. „Die Behörden ließen uns nicht einreisen“, erinnert sich die 25-jährige Hiba. Über den Umweg Italien gelangten sie schließlich nach Deutschland. „Vor allem ging es uns auch um unsere Tochter, die in Sicherheit und mit einer Zukunft aufwachsen soll“, erklärt Rafael (29). Nach der dreijährigen Tochter Sima ist übrigens auch das Geschäft benannt. Die Familie besitzt eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland.

In ihren ursprünglichen Berufen konnten die Eltern jedoch nicht arbeiten. Die Behörden erkannten die Abschlüsse von Rafael nicht an. In der Aufnahmeeinrichtung in Chemnitz ging Hibas Pathologie-Diplom verloren. „Aber wir wollen nicht nur herumsitzen, sondern uns einbringen“, erklärt die junge Mutter. So entstand die Idee, ein Lebensmittelgeschäft in Pirna zu eröffnen. Die Räumlichkeiten waren schnell gefunden, da die Familie selber in der Altstadt lebt. Allerdings gab es viele Formulare auszufüllen. Hilfe kam unter anderem vom Jobcenter, von der Caritas und der Diakonie.

Hilfe von Nachbarn

Die Ware kauft Rafael größtenteils auf dem Berliner Großmarkt ein, wo er regelmäßig hinfährt und mit vollen Taschen zurückkehrt. Unterstützung bekommt er dabei von seinem Freund Milan. „Er ist wie mein Bruder“, sagt Rafael. Milan lächelt. Gegenseitige Hilfe ist im arabischen Raum eben nicht nur ein Sprichwort. Das tellerrunde Fladenbrot erwirbt Rafael täglich frisch in Dresden und bringt es nach Pirna ins Geschäft – und zwar immer mit Bus und Bahn. Er ist auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Zwar besitzt er einen Führerschein, der aber keine Gültigkeit in Deutschland hat.

In den nächsten Tagen müssen Hiba und Rafael zwei große Kühlschränke für den Laden einkaufen, um die verderbliche Ware zu lagern. „Unser Nachbar hat uns angeboten, mit seinem Auto die Schränke zu holen. Wir sind dafür sehr dankbar“, erklärt Hiba. Ihr Mann nickt. In diesem Moment betritt eine Pirnaerin das Geschäft. Sie schaut sich interessiert um, kauft dann ein Glas Oliven und zwei Fladenbrote. „Schön, dass wir jetzt solch ein Spezialgeschäft haben“, stellt sie fest und wünscht gutes Gelingen. Überhaupt kann sich das junge Paar über zu wenig Kundschaft nicht beklagen. „Rund die Hälfte der Menschen, die zu uns einkaufen kommen, sind Pirnaer oder aus der Umgebung“, sagt Hiba. Einige kaufen gezielt ein, andere wollen sich von dem Sortiment inspirieren lassen. Oftmals ergeben sich dabei interessante Gespräche. „Viele wollen zum Beispiel wissen, was eine besonders beliebte arabische Speise ist“, sagt Rafael. Deshalb musste seine Frau schon oft die Gewürzmischung Zatar erklären. Dabei handelt es sich um einen Mix aus Sesam und Thymian, der mit Olivenöl vermischt und dann auf ein Fladenbrot gestrichen wird. „Das Brot rollen wir ein und essen es zum Frühstück. Dazu gibt es Tee“, sagt Hiba. Natürlich kommen auch viele Flüchtlinge, die gerne aus den für sie heimischen Lebensmitteln aussuchen, um authentisch zu kochen.

Hiba und Rafael haben unterdessen weitere Pläne. Sie wollen sich mit dem Geschäft zunächst ein finanzielles Standbein aufbauen. „Irgendwann, wenn wir genug Geld haben, möchten wir ein Restaurant mit syrischem Essen in Pirna eröffnen“, sagt Hiba. Und noch einen ganz großen Wunsch hat sie. Sie hofft, dass bald Frieden in Syrien ist, um ihre Familie wiederzusehen. „Heimat bleibt Heimat“, sagt sie leise.