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Einkaufstempel in Glas und Beton

Wo heute das Karstadt-Warenhaus an der Prager Straße steht, kaufte der Dresdner über 30 Jahre im Reka ein.

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Von Monika Dänhardt und Andreas Them

Vor 100 Jahren konnten in diesen Tagen die rund 500 Angestellten des Residenzkaufhauses an der Prager Straße/Ecke Waisenhaustraße aufatmen: Sie hatten die erste große Bewährungsprobe Weihnachtsverkauf bestanden. Das im Oktober 1912 eröffnete Haus war zur Advents- und Weihnachtszeit ein Magnet für Kaufwillige geworden. Wer es sich leisten konnte erwarb seine Weihnachtsgeschenke, oder wenigstens einen Teil davon, in Dresdens „erstem bedeutenden Kaufhausbau … in Glas und Beton“. Traditionsunternehmen wie „Renner“ und „Herzfeld“ hatten durch das in der Rechtsform einer GmbH betriebene Warenhaus eine echte Konkurrenz bekommen.

Im Residenzkaufhaus gab es nicht nur Verkaufsabteilungen, sondern auch eine Poststelle und einen Imbiss. Abb.: Archiv (2)
Im Residenzkaufhaus gab es nicht nur Verkaufsabteilungen, sondern auch eine Poststelle und einen Imbiss. Abb.: Archiv (2)
Nach der Erweiterung 1927 war das Reka eine gute Adresse für moderne Wohnkultur.
Nach der Erweiterung 1927 war das Reka eine gute Adresse für moderne Wohnkultur.

Obwohl es zunächst unter der Bevölkerung ablehnende Stimmen gegeben hatte. Manch Dresdner fand das Gebäude sei „fremdartig und nicht passend“. Entworfen hat den Einkaufstempel der Architekt Emil Franz Hänsel (1870 – 1943) im Stil der „Reformarchitektur“, für die sachliche und schlichte Formen charakteristisch sind. Hänsel leitetete auch die Bauausführung. Baukonstrukteur war Benno Löser. Durch die Anwendung der für die damalige Zeit neuartige – heute würde man sagen Stahlbetonbauweise – belief sich die Bauzeit auf gerade mal sechs Monate. Fritz Löffler beschreibt das Gebäude in „Das alte Dresden“: „Seine Gliederung erfolgte unter Betonung der Senkrechten; die Aufnahme von Erkern war eine Reminiszenz an die Dresdner Tradition.“

Ochsen im Schrank

Das „Reka“, wie die Dresdner das Kaufhaus bald nur noch nannten, bot Waren in Hülle und Fülle – von der Stecknadel über Mode für „Damen und Herren“ bis hin zu Spielwaren und elektronischen Artikeln. Das Angebot war über vier Etagen verteilt, die bequem mit dem Fahrstuhl, das Reka besaß drei, erreicht werden konnten. Zeitzeugen berichten von viel Glanz in den hell erleuchteten 55 Verkaufabteilungen. Besonders begeistert waren die Redakteure des „Dresdner Anzeigers“ von der Lebensmittelabteilung: „Sehenswert ist der Raum für den Fleisch- und Wurstverkauf. Er ist von peinlichster Sauberkeit ganz in Weiß gehalten und die Wände mit weißen Kacheln belegt. In großen Glasschränken hängen die prachtvollsten Fleischstücke, ganze Ochsen usw. usw.“ Auch ein „großes Fischbassin“ findet in dem Bericht Erwähnung. Schon damals war Brandschutz ein Thema: „Feuermelder und verschiedene Notausgänge, die auf große Treppen außerhalb des Gebäudes führen, verbürgen für die Sicherheit der Kundschaft und des Personals.“

Bis zum Ersten Weltkrieg liefen die Geschäfte gut. Doch der Krieg und die nachfolgenden unklaren politischen Verhältnisse und insbesondere die Inflationszeiten brachten hohe finanzielle Einbußen. In der Mitte der Goldenen Zwanziger Jahre kündeten die Geschäftsberichten allerdings wieder von schwarzen Zahlen. Das 15-jährige Geschäftsjubiläum wurde richtig gefeiert, das Haus vergrößert. Die Reka-Leitung entdeckte ein neues Geschäftsfeld: die Wohnkultur. Großflächige Inserate warben jetzt in den Zeitungen für den neu gestalteten Bereich „Moderne Wohnkultur“. Was die Kunden hier erwartetete, war beeindruckend. Ein Bericht in der Wochenbildbeilage des Dresdner Anzeigers vom 6. November 1927: „Schon ein Gang durch den gediegenen und geschmackvoll ausgestatteten Teppichsaal lässt erkennen, wie umfangreich und vielgestaltig die Auswahl im ,Reka‘ ist. Neben heimischen Erzeugnissen, an denen die Einstellung der Produktion auf Wertarbeit sichtbar wird, findet man Orientteppiche von größter Schönheit der Muster und Farben .… Das Interesse der Damen richtet sich besonders auf die groß angelegte Gardinenabteilung. … Und dann die Sonderabteilung für Zier-, Klein- und Klubmöbel, moderne Farblackmöbel! Da herrscht ein stetes Kommen und Gehen, ein bewunderndes Schauen und freudiges Wählen. Was die moderne Herstellung vermag, was im Zusammenwirken von Künstlern und Kunsthandwerk verschiedener Richtung erzielt wurde, auch das Moderne und Eigenartigste ist neben den allgemein gültigen Formen vorhanden.“ Intellektuelle wie den Romanisten Victor Klemperer zog es allerdings mehr in die Buchabteilung. Mindestens ein Buch hat Klemperer im Reka gekauft, wie in seinen „Tagebüchern“ nachlesbar: das Buch „Flucht“ des Italieners Fausto Nitti, der darin von seinen Erlebnissen als politischer Gefangener auf der faschistischen Teufelsinsel Lipari berichtet.

Todesfalle am 13. Februar

Manch Dresdner drückte sich an den Schaufenstern des Rekas allerdings nur die Nase platt. Wenn für den Einkauf das Geld fehlte, so wollte man doch wenigstens die Herrlichkeiten beschauen. Wenn die Waren in den Fenstern fast künstlerisch drapiert waren, dann war dies vielleicht auch ein Werk von Albert Wigand. Der deutsche Maler arbeitete für seinen Lebensunterhalt von 1930 bis 1943 als Schaufensterdekorateur im Reka.

Bis zum 13. Februar 1945 empfing das Kaufhaus seine Kunden. Die Naziregierung hatte allerdings für einen Besitzerwechsel gesorgt und die jüdischen Inhaber enteignet. Neuer Besitzer wurde der Kaufmann Rudolf Knoop, der nicht nur in Dresden schon Kaufhäuser besaß.

Zwar hatte sich durch den Krieg das Angebot des Rekas verringert, doch Kunden kamen selbst noch am 13. Februar 1945. Sodass auch an diesem Tag viele Mitarbeiter noch nach Ladenschluss Regale auffüllten, Abrechnungen machten und Ordnung schufen. Für einige ein Todesurteil, denn auch das Residenzkaufhaus fiel den Bomben in der Nacht zum Opfer. Die ausgebrannte Ruine wurde später abgerissen.

In den 1970er-Jahren entstand – wo einst der Dresdner im Reka einkaufte – eine neue Dresdner Centrum-Warenhaus-Filiale. Seit 1996 lockt das Warenhaus Karstadt an der Prager Straße wieder mit Waren in Fülle die Kunden an.