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Einkaufen für kleines Geld

Die Tafel in Bischofswerda hat immer weniger Kunden. Was nicht automatisch heißt, dass es weniger Bedürftige gibt.

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© Steffen Unger

Von Constanze Knappe

Bischofswerda. Fast beschaulich geht es zu bei der Tafel in Bischofswerda. Es gab Zeiten, da mussten die Mitarbeiter gelbe und blaue Karten ausgeben für unterschiedliche Wochentage, an denen Bedürftige Lebensmittel gegen einen geringen Obolus einkaufen konnten. Anders wäre der Ansturm nicht zu bewältigen gewesen. Bis raus auf den Hof stand die Schlange. Davon ist jetzt nichts zu spüren. Im Vorraum sitzen lediglich zwei Frauen. Für den Einkauf braucht man einen Berechtigungsschein als Hartz IV-Empfänger oder sonstiger Bedürftiger mit niedrigem Einkommen.

400 Familien sind bei der Tafel in Bischofswerda gemeldet. Manche kommen gelegentlich, andere alle paar Tage. Mittwochs sind es mehr Leute, weil es da auch Eier gibt, erklärt Günter Voigt. Mehr Kunden als sonst hat die Tafel zum Monatsende, wenn in den Familien das Geld knapp wird. Im November wurden 245 Kinder, 445 Erwachsene und 58 Rentner registriert. Im Oktober 2013 waren es hingegen 412 Kinder, 887 Erwachsene und 109 Rentner. Die Zahl der Kunden hat sich somit halbiert.

Frustriert von der Politik

Ob die der Bedürftigen generell, vermag der Leiter der Bischofswerdaer Tafel nicht zu sagen. – Gründe für den Rückgang kann er im Gespräch mit Caren Lay nicht benennen. Die Bundestagsabgeordnete der Linken besucht zweimal jährlich die Tafeln in ihrem Wahlkreis. Um die Stimmung aufzunehmen, wie sie sagt. Die Frauen im Vorraum unterhalten sich immer noch. An einem Gespräch mit der Politikerin haben sie kein Interesse. Diese überrascht das nicht. Sie sieht die Tafeln als „Ausdruck der sozialen Spaltung in Deutschland“. Ihrer Erfahrung nach sind die, die zur Tafel gehen, meist völlig frustriert von der Politik, weil sie sich abgeschrieben fühlen. Caren Lay hat Schoko-Nikoläuse mit. Die Kiste wird an der Ausgabe deponiert.

Die Bischofswerdaer Tafel ist mit denen in Bautzen, Kamenz oder Hoyerswerda nicht vergleichbar. Ihr Träger wie auch der des Sozialkaufhauses ist der Regionalverband Sachsen-Ost des Deutschen Frauenbunds (DFB). Die Tafel befindet sich im einstigen Sporthotel an der Clara-Zetkin-Straße. Der DDR-Charme der Räume stört keinen. So bleibe die Miete überschaubar.

Für den Verein werde es schwer, andere Räume in der Stadt zu verträglichen Konditionen zu finden, sagt Günter Voigt. Die Immobilie steht zur Disposition. Noch aber sei nichts entschieden, beruhigt Stadtrat Hans-Jürgen Stöber (Die Linke). An sich ist der Standort optimal. Im Erdgeschoss und somit auch für Rollator gut erreichbar. Nahe an, aber nicht mitten in der Stadt, mit separatem Seiteneingang. So müsse sich niemand wie auf dem Präsentierteller vorkommen.

Mitarbeiter täglich auf Tour

Die Menschen schämen sich, bei der Tafel einkaufen zu müssen, weiß Günter Voigt. Für den Parkplatz vor dem Haus braucht man eine Sondergenehmigung. Ab 2018 wird die Tafel dafür zwei Freikarten haben. Für weitere Fahrzeuge, etwa der Mitarbeiter, werden dann zehn Euro pro Monat fällig. Unverständlich für Hans-Jürgen Stöber, der die Klärung des Sachverhalts als Hausaufgabe mit in den Stadtrat nimmt.

Täglich fährt ein Mitarbeiter auf Tour, holt Lebensmittel bei Discountern in Neukirch und Bischofswerda, aus Geschäften in der Stadt und dem Umland. Aus dem Verkaufserlös und gelegentlichen Spenden sind Fahrzeug, Miete und Lohn für den Tafel-Chef zu finanzieren. Er ist als Einziger fest angestellt, kümmert sich um Bürokram. Akribisch muss aufgezeichnet werden, welche Ware wann und woher kommt und wann abgegeben wird. 13 Jahre ist Günter Voigt jetzt dabei. Der gelernte Kfz-Elektriker und Lehrmeister jobbte nach der Wende als Handlanger auf dem Bau, wurde arbeitslos und dann Betreuer für ABM-Maßnahmen im Frauenzentrum. Als Kraftfahrer holte er Waren für Bedürftige zusammen. So entstand die Idee, in Schiebock die Tafel aufzubauen.

Um die Waren täglich aufzubereiten und auszugeben, sind neun Mitarbeiter in einer MAE-Maßnahme beschäftigt sowie sechs weitere ehrenamtlich über die Aktion „Wir für Sachsen“. Sie erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung. Donnerstags wird aus gespendeten Wurstabschnitten Soljanka gekocht. Eigentlich wollte die Tafel eine Suppenküche eröffnen. Die Voraussetzungen dafür bestanden im Sporthotel, die Hygiene gab grünes Licht. Umgesetzt wurde das Vorhaben aber nicht. Weil es für Bedürftige aus dem Umland zu teuer sei, jeden Tag in die Stadt zu kommen.

Zum Jahresende geht Günter Voigt in den Ruhestand. Sein Nachfolger Ferenc Radocka kommt just in dem Moment zurück mit einer Lieferung aus der Landeszentrale der Tafeln in Dresden. Anstehen musste er dort für Suppen, Klöße, Marmelade und Konserven. Toilettenpapier und Küchenrollen hat er ebenfalls im Auto. Noch arbeitet er sich ein. Seine erste Aufgabe als Chef wird Anfang Januar sein, neue Mitarbeiter einer MAE-Maßnahme einzuweisen.