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„Einige würden mich als Täter bezeichnen“

Der Rabenauer Dietrich Noack schreibt ein Buch über seine Lebensgeschichte, die stellvertretend für viele andere stehen könnte.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Hauke Heuer

Rabenau. Dietrich Noack ist in Rabenau eine Institution. Nach der Wende hat er mit seiner Frau Hannelore das Lokal Rabenauer Sachsenstube eröffnet. Der heute 85-Jährige betätigt sich seit Jahrzehnten als Heimatforscher und Publizist und hält regelmäßig Vorträge, etwa im Stuhlbaumuseum. Jetzt hat Noack im Selbstverlag seine Biografie „Weichenstellungen“ veröffentlicht. Das Buch gibt Einblick in das Leben eines Menschen, der drei verschiedene politische Systeme erlebt – und auch mitgestaltet – hat. Der Oberst a. D. – zuerst aktiv in der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und später dann in der NVA – zeigt, nicht ohne die nötige Selbstkritik und ohne jede Selbsterhöhung, Perspektiven auf, die in der Rezeption der DDR Seltenheitswert haben dürften. „Ich versuche, deutlich zu machen, welche äußeren Einflüsse und Ereignisse letztlich zu Zäsuren in meinem Leben wurden, die meine Entwicklung nachhaltig beeinflussten“, erklärt der Autor.

Noacks Geschichte beginnt in seinem Geburtsort Rüdersdorf bei Berlin. Der Autor beschreibt den großen Einfluss seines Großvaters Max Noack. Ein Autodidakt, der sich trotz zunächst fehlender Bildung zum Baufachmann und Händler aufschwingt und so die Familie in Wohlstand bringt. Der Hitlerjunge Noack ist beeindruckt von einem SS-Offizier, einem Freund der Familie, aber auch von seinem Onkel, einem Kommunisten, der gemeinsam mit seinem Neffen internationale Radiosendungen hört und für Jahre im Zuchthaus landet.

In den Anfangsjahren der DDR arbeitet der gelernte Tischler Noack für die Verwaltung und setzt Arbeitsnormen durch. Eben jene Praxis, die letztlich auch zum Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 1953 führte. „Uns war klar, diese Normen können nicht eingehalten werden“, zieht er heute Bilanz. Nach einer Reise nach Westberlin verlor er seine Anstellung und wurde arbeitslos. Der Ausweg: Der Eintritt in die gerade gegründete KVP. Konfrontiert man Noack damit, dass viele ihm diesen Schritt als Opportunismus auslegen würden, widerspricht er nicht.

„Ich war jemand, der das Leben mitgestalten wollte. Einige würden mich als Täter bezeichnen. Ich versuche mich in diesem Buch aber auch an einer Psychoanalyse. Als Kind von Aufsteigern in den Mittelstand hatte ich Angst vor dem Abstieg in das Proletariat“, sagt Noack.

Noack macht Karriere im Bereich Militärtransportwesen der NVA. Nach mehreren Stationen wird der Offizier Dozent an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. In seiner Biografie, wie auch in anderen Schriften, rezipiert Noack die Geschichte der NVA, die für ihn genauso zur deutschen Militärgeschichte gehört wie die der Bundeswehr. Dass er aber auch die Kritik daran akzeptiert, zeigt sich darin, dass er in dem Buch einen Brief seines Enkels abdruckt, der es ihm verbietet, seinen Namen in der Biografie zu erwähnen und seinen Großvater einen Militaristen nennt. Noack ist sich bewusst, dass er sich auf einem Minenfeld bewegt, hat aber, wie viele Menschen seiner Generation, das offensichtliche Bedürfnis, dass seine Lebensleistung anerkannt wird.

Ganz im Gegensatz zu vielen Mitstreitern gelingt es Noack, sich nach der Wende gemeinsam mit seiner Frau ein neues, gutes Leben aufzubauen. „Bereits von meinem Großvater habe ich gelernt, nie aufzugeben“, schließt er die Klammer zu seiner Jugend und fügt hinzu, „ich wollte niemanden anklagen, aber mich auch nicht über Bausch und Bogen rechtfertigen, sondern einfach das Leben eines normalen Deutschen aufschreiben“. Wer mit Noack einmal selber in das Gespräch über seine Lebensgeschichte kommen will, kann am Sonntag ins Stuhlbaumuseum kommen.

Buchvorstellung am 25. März um 15 Uhr im Stuhlbaummuseum, Lindenstraße 2, in Rabenau