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Einige Bäche wird es bald nicht mehr geben

Fische sind gestorben, Pflanzen verdorrt – nach 2018 ist bei den Dresdner Gewässern nichts mehr, wie es war.

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© Marion Doering

Von Kay Haufe

Die Prießnitz ist weg, schon seit Monaten. Bereits im August war sie auf weiten Strecken völlig ausgetrocknet. Wie ihr erging es fast 60 Prozent der Dresdner Fließgewässer. 18 Bäche und Flüsse waren fast komplett trocken, weitere acht standen kurz vorm Kollaps. Kein Wunder, denn die zurückliegenden Monate waren die trockensten zusammenhängenden seit Jahren. Im August fielen lediglich 29 Prozent des sonst üblichen Regens. „An so heiße Sommer mit extrem wenig Niederschlag werden wir uns künftig gewöhnen müssen“, sagt Jürgen Neumann, Gewässerökologe im Dresdner Umweltamt. Konkret heißt das: Manche Bäche wird es bald gar nicht mehr oder nur an ganz wenigen Tagen des Jahres geben.

Den rechtselbischen Teil Dresdens mit der Heide hat es dieses Jahr noch weitaus härter getroffen als die andere Elbseite. Schuld daran ist die Geologie. Denn dort gibt es vorrangig Sandböden, die Regen zwar zunächst besser aufnehmen, aber auch viel schneller wieder abgeben. Ihre Speicherfähigkeit ist sehr begrenzt. Ganz im Gegenteil zu den Lößböden, die im linkselbischen Bereich vorherrschen. Sie nehmen das Wasser langsamer auf und geben es auch in diesem Tempo wieder ab. Bäche und Flüsse hatten hier also wesentlich länger Wasser. Aber auch sie waren wie der Blasewitz-Grunaer-Landgraben teilweise trocken. Das Wasser im Kaitzbach, der auch den Carolasee speist, musste dosiert in den See abgegeben werden. Denn in beiden gibt es Fische.

Die Auswirkungen dieser Trockenheit auf die Flora und Fauna der Fließgewässer könne man jetzt noch nicht genau einschätzen, sagt der Ökologe. Während sich Pflanzen zum Teil wieder regenerieren oder über Samen erneuern könnten, sind die Fische überwiegend verendet. „Allerdings gibt es in unseren Bächen ohnehin nur wenige und kleine Fische wie Stichlinge“, sagt Jürgen Neumann. Deshalb werden auch die Anglerverbände nicht eingeschaltet, die bei Gewässern mit großem Fischreichtum helfen, Fische zu fangen und umzusetzen.

Rückzugsorte bauen

Bei Kleinstlebewesen wie Bachflußkrebsen sei es möglich, dass sie sich über Eier in den kommenden Monaten wieder entwickeln, wenn das Wasser zurück ist. „Ein glücklicher Umstand ist, dass das Landesamt für Umwelt und Geologie (LfULG) im kommenden Jahr bestimmte Bäche und Flüsse untersucht und befischt“, sagt Neumann. Dann könne man mit den Daten der Vorjahre vergleichen, was an Flora und Fauna verloren gegangen sei. Schon dieses Jahr untersucht wurden neben der Elbe, der Weißeritz und der Prießnitz Schullwitz-, Lockwitz- und Geberbach, der Blasewitz-Grunaer Landgraben, der Kaitzbach, der Zschoner-, der Lotze- und Lockwitzbach, die Große Röder, der Lausenbach, der Rote Graben und die Promnitz. „Die Ergebnisse werden nach der Auswertung aber erst Mitte nächsten Jahres vorliegen“, sagt Karin Bernhardt, die Sprecherin des LfULG.

Weil Trockenphasen aufgrund des Klimawandels in den nächsten Jahren häufiger sein werden, überlegt die Stadt, wie man Rückzugsmöglichkeiten in den Gewässern insbesondere für Fische schaffen kann. „Es ist weder sinnvoll noch personell machbar, Wasser in die betroffenen Gewässer zu pumpen“, sagt Neumann. Nachhaltig schon gar nicht. Vielmehr setzt das Umweltamt darauf, die Sohlstruktur der Flüsse und Bäche möglichst naturnah zu gestalten und sogenannte Kolken zu erzeugen. Das funktioniert, indem Lenkbuhnen eingebaut werden, die zur natürlichen Verwirbelung des Wassers beitragen. Dadurch bilden sich kleine Vertiefungen auf dem Grund des Baches oder Flusses, in denen bei Trockenheit das Wasser stehen bleibt. Hierhin können sich Fische und andere Organismen zurückziehen. Das wird gerade für den Prallbogen dso er Prießnitz geplant. Allerdings bleibt das nicht ohne Kritik aus der Bevölkerung, denn die Prießnitz benötigt mehr Raum, wodurch Kleingärten aufgegeben werden müssen.

Um noch mehr dieser Rückzugskolke für Tiere zu schaffen, benötigt die Stadt Grundstücke, die meist nicht verfügbar oder nur teuer zu erwerben sind. „Es wird also schwer, grundlegend etwas zu ändern“, sagt Neumann. Die Dresdner werden sich daran gewöhnen müssen, bestimmte Gewässer nur an wenigen Tagen zu sehen.