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Eingedeckt mit Holz

Ist der Raum zu niedrig? Der Nossener Zimmermann Seifert hat eine neue, alte Lösung ausprobiert.

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© Claudia Hübschmann

Von Uta Büttner

Nossen. Ein altes Haus aus dem Jahre 1790 soll saniert werden. Der Dachstuhl muss erneuert und eine neue Decke eingezogen werden. Die Raumhöhe ist für heutige Ansprüche viel zu niedrig. Und einen langen Balken, einen sogenannten Unterzug, längs durch das gesamte Haus wünscht der Bauherr nicht.

Da hat Zimmermann Reiner Seifert aus Nossen die zündende Idee: „Ich schlage eine Balkenstapeldecke vor.“ Diese habe eine sehr gute Tragfähigkeit und man könne damit einige Zentimeter mehr an Raumhöhe gewinnen. Der Bauherr war begeistert, Architekt und Statiker wirkten irritiert. In Zeiten der vornehmlich eingesetzten Baustoffe wie Stahl und Beton hatten sie von einer Balkenstapeldecke noch nichts gehört.

Anders als bei üblichen Holzbalkendecken mit Schalung werden bei diesem alten Verfahren Balken an Balken gesetzt. Zusätzlicher Vorteil: Mit einer Balkenstapeldecke wird der Brandschutz verbessert. Massive Holzbalken brennen nicht richtig, sondern verkohlen nur.

Angewendet wurde diese Bauweise ehemals in Österreich, teilweise auch noch in Süddeutschland, klärt der Nossener Zimmermann auf. Er selbst kannte Balkenstapeldecken bisher nur aus alten Fachbüchern. Um 1900 seien diese Decken im Nachbarland aufgrund des Brandschutzes vorgeschrieben gewesen, sagt der 61-Jährige.

Mit dieser Lösung war in dem alten Gebäude auf einer Fläche von 13 mal sieben Metern nun auch kein einziges tragendes Element mehr notwendig.

Beinahe verkümmertes Handwerk

Bei seinen Aufträgen handele sich zu 50 Prozent um Sanierungen, die anderen seien Neubauten. So habe das Interesse an Gebäuden mit Holz zugenommen, da es auch wärmer ist: „Wenn das Haus aus Ziegel und Beton besteht, ist es kalt in der Bude“, sagt der Handwerksmeister. Das Arbeiten mit Holz sei inzwischen viel einfacher geworden – aufgrund des industriell vorgefertigten Materials, das heutzutage zur Verfügung steht.

Reiner Seifert ist studierter Maschinenbau-Ingenieur und hat nach der Wende als Einkaufsleiter gearbeitet. Erst 2000 beschäftigte er sich mit der Zimmerei intensiver. All seine Vorfahren vom Urgroßvater angefangen, seien Zimmerleute gewesen. Auch sein Vater. Dieser habe aber in der DDR nicht hauptberuflich als solcher gearbeitet.

„Das Handwerk ist zu DDR-Zeiten fast verkümmert“, erzählt der Zimmerer. Trotzdem galt Hobby immer dem Handwerk. Den Gesellenbrief habe Seifert 1999 bekommen, weil sich sein ältester Sohn zum Zimmermann ausbilden ließ und sich anschließend selbstständig gemacht hatte. Aufgrund seines Ingenieurabschlusses habe Seifert die Zulassung für das Handwerk auch ohne Besuch der Meisterschule erhalten und arbeitete als Angestellter seines Sohnes.

Erst 2010 meldete der damals 56-Jährige selbst ein Gewerbe an. Sein zweiter Sohn hatte sich ebenfalls für den Beruf entschieden. Beide Söhne setzen nach der Meisterschule die Familientradition in einer separaten Firma fort. Besonders stolz berichtet Seifert, dass sein Sohn Steffen 2014 zum besten Meisterschüler seines Jahrgangs geehrt wurde.

Obwohl das Handwerk immer noch gefragt ist, sei es schwer, Nachwuchs zu finden. Er selbst dürfe ausbilden, aber möchte dies den Jüngeren überlassen. Praktikumsplätze biete er jedoch gelegentlich an. Generell ist das Interesse am Zimmermannsberuf in den vergangenen Jahren stark rückläufig. Während nach Angaben der Handwerkskammer Dresden in den Jahren 1995 bis 2002 über 100 bis in Spitzenjahren etwa 250 Anwärter die Gesellenprüfung ablegten, waren es in den vergangenen vier Jahren gerade noch 20 bis 30. Wie die Zukunft des Zimmerhandwerks aussehen wird, vermag auch Seifert nicht zu prognostizieren.

Holz ist sein Baustoff, vor allem Fichte. Hier beängstigt den Zimmermann die Entwicklung im hiesigen Forstwesen. Da die Fichte nicht so resistent ist, werden Waldflächen vor allem mit Laubholz aufgeforstet. „Das könnte in ein paar Jahren dazu führen, dass wir nicht mehr genügend Fichte haben und diese deshalb importieren müssen.“