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Eine Wiese sorgt für Ärger

Zwischen einer Familie in Arnsdorf und dem Stadtgut gärt seit Jahren ein Konflikt. Der hat auch seine Vorgeschichte.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Anja Gail

Arnsdorf. Seit einer Woche ist die schmale Wiese vom Stadtgut an der Kreisstraße in Arnsdorf nun gemäht, und das Gras rottet vor sich hin. Das ändert aber nichts an dem Ärger zwischen Familie Kosan, die gegenüber wohnt, und dem Görlitzer Landwirtschaftsbetrieb, dem das Grundstück gehört. Denn das Grün steht die meiste Zeit des Jahres, so wie auf dem Foto, weit über hüfthoch. „Unser Blick aus dem Fenster fällt damit direkt auf die ungepflegte Fläche“, erklärt Regina Kosan.

Dass der Stachel tief sitzt, hat eine Vorgeschichte. Zu DDR-Zeiten konnte die Familie die etwa 400 Quadratmeter große Fläche unentgeltlich bewirtschaften. Reinhold Kosan machte Heu für seine Kaninchen und bepflanzte das Land mit Sträuchern und Bäumen. Nach der Wende wurde das Grundstück an das Görlitzer Stadtgut übertragen. Das schloss einen Pachtvertrag mit der Familie ab.

Doch eines Tages kam es zum Zerwürfnis. Der Rentner, der bis dahin seine Bienenstöcke beim Stadtgut aufstellen durfte, äußerte Kritik. Er befürchtete, dass die Bienen Schaden nehmen könnten. „So bin ich dann mit meinen Bienen beim Stadtgut rausgeflogen“, schildert er. Auf den Fuß sei die Kündigung des Pachtvertrages gefolgt. Er musste Bäume fällen. Seitdem mäht der ökologische Landwirtschaftsbetrieb die Wiese einmal im Jahr und lässt das Gras dann liegen.

Geschäftsführer Frank Richter ist klar, dass das den Leuten im Dorf auch auffalle, sagt er. Aber sein Betrieb sei kein Rasendienst. „Wir haben anderes zu tun und unsere Landwirtschaft zu betreiben.“ Um den Konflikt wieder aus der Welt zu schaffen, habe er der Familie angeboten, das Grundstück zu kaufen. Das kommt für Kosans aber nicht infrage. Sie halten inzwischen keine Kaninchen mehr und ärgern sich nur über den unansehnlichen Zustand. Die Wiese würden sie gern, so wie früher, in Schuss halten, aber Geld wollen sie dafür nicht mehr zahlen.

Eine Veranlassung dafür, etwas am jetzigen Zustand zu ändern, sieht der Geschäftsführer des Stadtgutes angesichts dessen nicht. Nur, wenn die Gemeinde Vierkirchen der Meinung sei, das Grundstück im Ort müsste mehr gepflegt werden, könnte man darüber reden.

Bürgermeisterin Andrea Weise ist bislang davon ausgegangen, dass die Verwaltung keine Handhabe besitzt, weil das Grundstück dem Stadtgut gehört. In den Polizeiverordnungen der Gemeinden ist nur geregelt, wann das Rasenmähen erlaubt ist und wann nicht. Eine Aussage über Pflichten zur Grundstückspflege findet sich darin nicht. Diese Verordnungen sind unter anderem auf den Internetseiten der Gemeinden einsehbar.

In anderen Bundesländern gibt es hingegen auch Vorschriften zur Pflege von Grundstücken und deren Schutz vor Verwilderung. Grundlage sind die jeweiligen Naturschutzgesetze. Gemeinden wie Eurasburg in Oberbayern haben damit geregelt, dass Besitzer ihre Flächen mindestens zweimal im Jahr mähen müssen, damit diese nicht verwildern. Auch das lässt sich im Internet nachlesen.

Wie Grünanlagen auf einem Grundstück in Sachsen aussehen müssen, damit sie ins Ortsbild passen und die Interessen der Nachbarn nicht beeinträchtigen, lässt sich nirgendwo so richtig festmachen. Darüber scheiden sich die Geister. Der eine will seine Wiese wie einen englischen Rasen aussehen lassen. Ein anderer liebt es naturbelassen. Ein Dritter sieht im Rasenmähen eine willkommene Beschäftigung. Aber auch das kann Nachbarn schnell nerven. Was so schon einem Fass ohne Boden gleicht, bekommt durch den Sparzwang noch eins oben draufgesetzt. So lassen auch einige Gemeinden öffentliche Grünflächen nur noch einmal im Jahr mähen.

Eine Eigentümerpflicht wurde dabei in Arnsdorf aber bisher außer Acht gelassen. Die Wiese liegt direkt am Arnsdorfer Wasser und damit auf dem Gewässerrandstreifen. Der macht innerhalb von Ortschaften fünf Meter aus. Auf diesem Streifen muss der Grundstückseigentümer dafür Sorge tragen, dass im Falle von Überschwemmungen keine Hindernisse den Weg des Wassers versperren. Selbst liegen gelassener Grünschnitt ist da nicht erlaubt, weil er mitgeschwemmt und Durchlässe zusetzen kann.

Dabei könnten die Beteiligten die Sache sicher auch im Einvernehmen aus der Welt schaffen. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Nachbarrechtsgesetz in Sachsen besteht grundsätzlich das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme. Rechtlich gibt es dabei auch eine Handhabe, aber nur, wenn es zu nachgewiesenen Beeinträchtigungen kommt. In besagtem Beispiel aus Arnsdorf müsste das Gras auf der Wiese die Sicht aus einem Fenster ganz und gar behindern. Das wäre dann wohl aber der Gipfel.