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Eine Umleitung fürs Wasser

Die Drewag Netz hat die Notfall-Anlagen am Kraftwerk Tharandt erneuert. Eingesetzt werden sie aber nur selten.

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© Andreas Weihs

Von Stephan Klingbeil

Tharandt. Es dröhnt in den Rohren im Keller des Tharandter Wasserkraftwerks. Die Turbinen lärmen. Wasser aus dem Gebirge peitscht in Richtung Tal. Die neuen sogenannten Energievernichter, die nach neunmonatiger Sanierungszeit wieder in Tharandt eingesetzt werden können, sind aber nicht in Betrieb. Zum Glück, könnte man meinen. Denn kommen sie zum Einsatz, hakt es irgendwo – oder das System wird lahmgelegt. Dann etwa, wenn gebaut wird.

Fallen zum Beispiel die Turbinen aus, die die Energie der Wasserkraft in Ökostrom umwandeln, nehmen sie den hinunterfließenden Massen die Wucht. Die Anlagen mit den mit einer schwarzen Kunststoffschicht ummantelten großen Stahlrohren sind Teil des Wassersystems, das die Talsperren Lehnmühle und Klingenberg im Osterzgebirge mit dem Wasserwerk in Dresden-Coschütz verbindet. Sie werden benötigt, wenn sich Wasser staut und die Strömung zu stark oder zu turbulent ist – und daher womöglich Schäden anrichtet.

Fast 2 900 Kubikmeter Wasser rauschen pro Stunde aus den Talsperren hinab durch die Verbindungsstolln, passiert dann das Kraftwerk in Tharandt, ehe es über Freital-Coßmannsdorf gen Coschütz fließt. Mit diesen Massen könnte man 29000 Badewannen füllen – pro Stunde. So viel Wasser kauft die Drewag Netz der Landestalsperrenverwaltung ab, die auch die von der Wilden Weißeritz gespeisten Talsperren betreiben. Sollte mehr benötigt werden, wird mehr Wasser abgegeben. Die Durchlaufmenge kann nahezu verdoppelt werden. So geschehen bei der Flut 2002. Energievernichter sind wie Bypässe. Die Anlagen der Drewag Netz befinden sich in den drei zwischengeschalteten Kraftwerken in Klingenberg, Dorfhain und Tharandt. Sie gewährleisten vor allem, dass das Aufbereitungswerk in Coschütz rund um die Uhr mit Wasser beliefert wird. Von dort aus werden Dresdner Haushalte mit Trinkwasser versorgt – wie im August 2002.

Als beim Jahrhunderthochwasser die zwei Elbwasserwerke Hosterwitz und Tolkewitz außer Betrieb waren und es in mehreren Stadtteilen zeitweise Versorgungsengpässe gab, waren es die Energievernichter, die halfen, dass das Wasserwerk in Coschütz weiterbetrieben werden konnte. „Ohne sie hätte es in Dresden keine Trinkwasserversorgung gegeben“, erklärt Projektleiterin Dorothea Jäger von der Drewag. „Sie kommen aber insgesamt eher selten zum Einsatz, im Havariebetrieb oder wenn zum Beispiel gebaut wird.“ Der Drewag Netz gehören die Energievernichter und außerdem auch das neuere Kraftwerk in Dorfhain, die älteren Standorte in Tharandt und Klingenberg werden vom Energieversorger Enso betrieben.

Notfalls auch per Hand betrieben

Der Dienstleister zahlt der Drewag Netz Geld dafür, dass sie mit ihren Turbinen Ökostrom aus dem durchrauschenden Wasser herstellen darf. Mit dem Strom, der in dem 1926 errichteten Kraftwerkgebäude in Tharandt aus den bergab strömenden Wassermassen gewonnen wird, kann man im Jahr den Bedarf von etwa 1920 Dreipersonen-Haushalten decken – circa 4,8 Millionen Kilowatt werden pro Jahr erzeugt.

Stehen die Turbinen aber still – etwa wegen eines Stromausfalls oder weil sie wegen Bauarbeiten abgestellt werden müssen –, sind die Energievernichter gefragt. Die Anlagen, die mittlerweile elektronisch an- und abgeschaltet werden, können notfalls auch per Hand betrieben werden. Die Energievernichter sind aber schon sehr alt, sie haben viele Jahrzehnte auf dem Buckel. Teile waren schon porös und mussten in den vergangenen Jahren peu à peu saniert werden. Die Drewag Netz hat daher ihre Energievernichter in Klingenberg, Dorfhain und nun auch den in Tharandt erneuern lassen. Neun Monate hat es gedauert, die Anlage im Werk an der Pienner Straße von der Chemnitzer Firma Heos auf Vordermann bringen zu lassen. Circa 900 000 Euro hat das Vorhaben gekostet.

Ehe die Energievernichter aber aus dem Wassertransportnetz genommen wurden, mussten außerhalb der Gebäude „Bypässe“ anstatt der fehlenden Energievernichter gelegt werden. Am Tharandter Kraftwerk ist das Rohrsystem noch immer zu sehen.

Mit ihren Bauarbeiten ist die Drewag Netz aber noch nicht fertig. Im Oktober soll es schon ganz in der Nähe weitergehen. Dann soll die abschnittsweise Sanierung des etwa 3,2 Kilometer langen Stollns, der die Kraftwerke Dorfhain und Tharandt verbindet, fortgesetzt werden. Und auch dann sind wieder die Energievernichter gefragt.