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Eine Tour im längsten Bus der Welt

Auf der hauseigenen Teststrecke in Räcknitz haben Forscher ihre Entwicklung präsentiert. Doch kommt der Bus auch in Dresden zum Einsatz?

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© Jörn Haufe

Rafael Barth

Ein weißer Riese schlich am Mittwoch durch Räcknitz, einer mit besonders großem Bauch. Mehr als 250 Menschen haben in dem Bus Platz, den das Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) innerhalb von drei Jahren entwickelt hat. Mit 30 Metern Länge gilt er als größter Bus der Welt. Für einen Beitrag des MDR-Magazins „Einfach genial“ fuhren gestern etwa 60 Studenten darin mit. Minutenlang drehte der Riesenbus seine Runden auf der hauseigenen Teststrecke des Instituts an der Zeunerstraße.

Das hatte durchaus Drehwurmpotenzial und war für manche ein spannendes Erlebnis. „Wenn man hinten gesessen hat, konnte man sehen, wie vorne gefahren wird“, sagt Christoph Krahl. Nach dem Test-Trip fachsimpelt der Maschinenbau-Student mit seinem Kommilitonen Samuel Pantke. Und beide hatten schon Ideen, wie der Riesenbus in Dresden eingesetzt werden könnte. „Wenn es die Straßen zulassen würden, wäre es eine sinnvolle Alternative zum Bus 61“, vermutet Krahl. Der bringt die Studenten aus den westlichen Stadtteilen zur Uni und zur Bibliothek Slub und ist zu Stoßzeiten proppenvoll.

Doch auf Dresdens Straßen wird der Riesenbus kaum zum Einsatz kommen, erklärt Richard Kratzing, der beim Fraunhofer-Institut die Arbeitsgruppe Elektromobilität leitet. Denn wo es gute Straßenbahnsysteme gibt, werden die lieber aus- als abgebaut. Institutsleiter Matthias Klingner ergänzt, dass sich die Dresdner Entwicklung für Städte eignet, in denen das Bussystem an Grenzen stößt, so wie Ingolstadt oder Aachen. Gute Chancen für das Gefährt rechnet sich Klingner auch für wachsende Städte in Asien und Lateinamerika aus. Auf die Lebensdauer eines Fahrzeugs betrachtet sei der Bus halb so teuer wie eine Straßenbahn. Immer wieder hat er Politiker, Unternehmer und Ingenieure zu Gast, die sich für das Fahrzeug interessieren.

Das kann Klingner seit März auf einem Testoval vorführen, das neben dem Institut zwischen Bibliothek Slub und Volkspark liegt. Zusammen mit einem Neubau wurde die Strecke in Form einer 8 für 3,4 Millionen Euro errichtet. Für die Fraunhofer-Leute ein großer Vorteil, denn vorher mussten Interessenten immer zu Teststrecken nach Bautzen, Großenhain oder zum Lausitzring kutschiert werden. Gegen den Bau der Asphaltpiste hatten Nachbarn protestiert, weil sie eine Belastung durch Lärm und Abgase fürchteten. Doch in der Regel wird die Teststrecke nur wenige Stunden pro Woche genutzt, sagt Institutschef Klingner. „Die Leute haben sich damit angefreundet. Es stört wirklich nicht.“

Den Riesenbus nennen die Fraunhofer-Forscher Autotram. Er ist flexibel wie ein Bus, was gerade bei Baustellen von Vorteil ist. Und er kann, ähnlich wie eine Straßenbahn, viele Personen mitnehmen und fährt dank ausgeklügelter Achsentechnik wie auf einer virtuellen Schiene. „Im Grunde werden die Vorteile aus beiden Systemen kombiniert“, sagt die Sprecherin des Instituts, Elke Sähn.

Besonderes Merkmal der Autotram sind die fünf Achsen: Vier davon sind lenkbar. „Sonst könnten Sie den Bus nicht betreiben“, so Sprecherin Sähn. Der Prototyp koste etwa eine Million Euro. Allerdings könnten künftige Käufer auf bestimmte Ausstattungsmerkmale verzichten, etwa auf den Hybridantrieb. So werden die Fahrgäste vielleicht nicht alle technischen Finessen erleben wie die Studenten gestern. Und wie das Kamerateam vom MDR. Der Sender zeigt den Beitrag voraussichtlich am 26. November um 19.50 Uhr.