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Eine Stadt ist keine Puppenstube

Michael van der Burgt will sich ein Stadthaus bauen und andere fürs Wohnen in der Innenstadt begeistern.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Noch sieht die Großenhainer Innenstadt lebendig aus. Doch Ladenleerstand und Altbauten, in denen keiner mehr wohnt, bedrohen die intakte Stadtstruktur zusehends. Wo schon Häuser abgerissen sind, scheint alles zu spät. Was ist da noch zu retten? Architekt Michael van der Burgt hat die Innenstadt für sich entdeckt und will auch anderen Mut machen, mal einen neuen Blick auf die eigene Stadt zu wagen. Die SZ unterhielt sich mit ihm jetzt darüber, welche Sichtweise er mitbringt.

Michael van der Burgt, sieht sich als Ideenfinder. Er stammt aus Celle und möchte sich jetzt ein Stadthaus in der Frauengasse bauen.
Michael van der Burgt, sieht sich als Ideenfinder. Er stammt aus Celle und möchte sich jetzt ein Stadthaus in der Frauengasse bauen. © Klaus-Dieter Brühl

Herr van der Burgt, wie sind Sie auf Großenhain gekommen?

Meine Frau arbeitet beim Landesamt für Archäologie und startet von Großenhain aus immer zu ihren Fotoflügen. Anhand dieser Fotos ist mir klargeworden, was für eine hübsche alte Stadt das ist. Und natürlich habe ich mir das dann genauer angesehen. Die Stadt macht einen sympathischen Eindruck, hier sind auch viele junge Leute unterwegs und Familien, es gibt schöne Läden, da ist noch alles intakt. Aber ich sehe eben auch die Ruinen in den Seitengassen, ernste Lücken im Stadtbild. Ich möchte mir gern ein Stadthaus hier bauen, eins, das hier passt. Keins, das hinter vorgehaltener Hand alle hässlich finden. Aber eben auch eines, in dem ich modern leben kann, nicht mit so kleinen Fenstern, dass tags über in der Küche das Licht brennen muss, einem Türstock von 1,70 Metern oder einem verwinkelten Grundriss und ohne Chance, irgendwo das Auto abzustellen. Ich denke, das ist die Herausforderung für kleine Städte. Klar muss man historische Stadtkerne schützen, aber das funktioniert nicht, indem da ein Museum draus wird, weil keiner mehr da wohnt. Es bringt auch nichts, wenn Fondsgesellschaften Häuser aufkaufen und dann die Wohnungen vermieten. Die Eigentümer müssen auch selbst dort wohnen. Dann interessiert es sie, was im Umfeld passiert, wie es aussieht. Wenn man das hinbekommt, zieht es alle nach oben. Es gehen Leute in der Innenstadt einkaufen, Läden werden vermietet und Wohnungen werden begehrter.

Sie haben den Stadträten ihren Entwurf für ein solches Stadthaus vorgelegt. Welchen Eindruck haben Sie?

Ich bin am 7. August in den Technischen Ausschuss des Stadtrates eingeladen, um mein Herangehen dort noch einmal vorzustellen. Da freue ich mich. Ich habe für die Bauvoranfrage schon 24 Seiten eingereicht. Das ist ein Aufwand, der am Markt gar nicht darstellbar wäre, aber ich mache das für mich, aber bin von dem Thema umgetrieben. Es geht ja nicht nur um mein neues Haus. Es geht um Ideen, wie man Menschen Mut machen kann, ihre Stadt anders zu sehen, gemeinsam weitere neue Projekte zu entwickeln, so dass Leute gern hier wohnen. Ich hatte als Architekt das Glück, nie einen Einkaufsmarkt bauen zu müssen – und ich mache auch jetzt nur noch Dinge, die Sinn stiften. Sinn für die nächsten Generationen, nicht mehr für mich. Ich muss das nicht machen. Das sind Vorschläge an die Stadt – wer das dann baut, ist mir eigentlich egal. Wir leben in einer Zeit, wo viele wieder in die Innenstadt zurück wollen. Denn das ist ein Wohnen ohne lange Wege zum Einkaufen, zum Arzt oder zu Kita und Schule. Aber unsere alten Häuser passen nicht zu unseren Lebensgewohnheiten, zu unserem wohlfühlen. Ich möchte zeigen, dass es sich hier für viele attraktiver lebt als auf dem Land. Den Blick fürs Stadtwohnen, wo das Wohnen im hellen Obergeschoss stattfindet, mit Garage im Erdgeschoss, Hauslift oder Aufzug schon angelegt sein können, bis hoch zur grünen Dachterrasse – individuell, aber mitten im Komfort der Kleinstadt – das ist spannend.

Das Gespräch führte Birgit Ulbricht.