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Wirbel um Kutschkes Sprachnachricht

Stefan Kutschke schickt einem Freund eine sensible Sprachnachricht. Der Stürmer erklärt, wieso es für ihn bei der SG Dynamo Dresden nicht weiterging. Doch der Monolog landet im Netz. Jetzt spricht Minge.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Diese Nachricht hätte Stefan Kutschke lieber nicht abgesetzt. Doch nun kursiert sie als Link im Internet, wird über WhatsApp verbreitet und bei Twitter diskutiert. Sechs Minuten und vierzig Sekunden lang erklärt der Stürmer, wieso kein Vertrag bei Dynamo Dresden zustande gekommen ist und er – so lässt es sich heraushören – das Angebot des FC Ingolstadt annehmen musste. Wie sein Berater Karl Herzog auf Nachfrage der SZ bestätigt, hat er die an einen „vermeintlich sehr guten Freund, jetzt Ex-Freund“ geschickt, der sie offenbar ins Netz gestellt hat.

Für diesen Vertrauensbruch muss er sich womöglich vor Gericht verantworten. „Wir haben es einem Anwalt übergeben“, sagt Herzog, der von 1995 bis 1997 als Geschäftsführer bei Dynamo tätig war. Inhaltlich könne er an der Audio-Mitteilung nichts Verwerfliches sehen, Kutschke habe niemanden beleidigt oder diskreditiert. Die Aussagen des Spielers will er jedoch nicht kommentieren. „Es sind Details wiedergegeben worden, die nicht in die Öffentlichkeit gehören“, räumt Herzog ein.

Weil Kutschkes Botschaft an eine Privatperson gerichtet und mutmaßlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war – in der sie trotzdem gelandet ist – wird die SZ daraus nicht zitieren.

Minge: Wäre Top-Verdiener gewesen

Gleichwohl ist der Inhalt natürlich auch Dynamos Sportdirektor Ralf Minge bekannt. Er sagt: „Wir haben Stefan ein für unsere Verhältnisse sehr gutes Angebot gemacht, er wäre Top-Verdiener gewesen.“ Herzog nennt die Dynamo-Offerte „anständig“, Ingolstadt habe dagegen „ein super Angebot für die zweite Liga“ unterbreitet.

Der Berater deutet mindestens an, dass die finanziellen Vorstellungen weit auseinander lagen, was Minge bestätigt: „Wir hätten nicht fünf Monate verhandelt, damit es am Ende an ein paar Hundert Euro scheitert. Unser Angebot hat anders ausgesehen, war leistungsabhängiger.“ Und er betont: „Für Stefan sind wir an unsere Schmerzgrenze gegangen, das war auch schon mit dem Aufsichtsrat besprochen. Ich habe versucht, ein zusätzliches Sponsorenpaket zu schnüren. Aber wir haben immer gut daran getan, dass wir, was das Gehalt betrifft, die Balance im Kader halten.“

Vor Pfingsten sei der Kontakt jedoch plötzlich spärlicher geworden, am vorigen Mittwochabend gegen halb elf habe Kutschke ihm dann mitgeteilt, dass er nicht bei Dynamo bleibt. „Da war aber noch keine Rede von Ingolstadt, sondern von einer Herausforderung. Ich dachte, er geht zu einem Bundesligisten oder ins Ausland“, sagt Minge – und gönnt sich seinerseits einen ironischen Seitenhieb: „Entweder ist es das Geld, oder es war schon immer ein Kindheitstraum von ihm, einmal für Ingolstadt zu spielen.“

Zu Verhandlungen mit dem 1. FC Nürnberg, bei dem Kutschke bis 2018 unter Vertrag stand, sei es gar nicht gekommen. Er habe mit „Club“-Manager Andreas Bornemann vereinbart, erst zu versuchen, mit dem Spieler klarzukommen und dann über die Ablöse zu sprechen, sagt Minge. In Ingolstadt unterschrieb Kutschke einen Vertrag bis 2021 mit Option auf Verlängerung, also im Optimalfall für fünf Jahre. Dynamo hatte ihm laut Minge drei Jahre geboten plus eine Option, wenn er in der dritten Saison eine bestimmte Anzahl Spiele von Anfang an macht.

Das könnte für Kutschke, der vorige Saison für die Schwarz-Gelben 16 Tore in der zweiten Liga und zwei beim Sieg im DFB-Pokal gegen RB Leipzig erzielt hat, ein Knackpunkt gewesen sein. Er hatte gesagt, dass er, wenn er verlängert, gern seine Karriere bei Dynamo beenden würde. „Er hätte von mir aus, wenn er fit bleibt, noch sechs Jahre hier spielen können“, sagt Minge. Allerdings wollte er die Bindung nicht so lange festschreiben. „Ich habe auch eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Verein.“

Kutschke, 28 Jahre, sollte für die Zeit nach seiner Karriere einen Vertrag für zwei Jahre bekommen. „Die Tätigkeit hatten wir noch nicht genau definiert, aber die Konditionen bereits fixiert“, erklärt der Sportvorstand. „Wir wollen ja gerade mit Spielern, die sich Verdienste im Verein erworben haben, unsere Identität stärken.“ Der Dresdner Kutschke wäre dafür prädestiniert gewesen. Wie es funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Cristian Fiel.

Der Publikumsliebling war 30, als er im Sommer 2010 nach Dresden kam – und unterschrieb erst einmal nur für ein Jahr. Daraus wurden fünf – und seit 2015 ist er als Trainer im Nachwuchs tätig, hat die U17-Junioren vorige Saison zum Klassenerhalt in der Bundesliga und zum Pokalsieg im Finale gegen Energie Cottbus geführt. Am Donnerstag hat Dynamo seinen Vertrag um drei weitere Jahre bis 2020 verlängert, 2018 soll er seine Ausbildung mit dem Erwerb der Lizenz als Fußballlehrer abschließen.

Bei Kutschke lief es jetzt anders. „Natürlich bin ich enttäuscht: sowohl von seiner Entscheidung als auch von der Art und Weise, wie er es jetzt darstellt“, sagt Minge, und er erinnert sich: „Es haben hier doch auch nicht alle die La-ola-Welle gemacht, als wir ihn im Winter 2016 aus Nürnberg ausgeliehen haben. Aber das war eine absolute Überzeugungstat – genau wie der Versuch, ihn jetzt fest zu verpflichten.“ Die Nachricht hat ihn tief getroffen, auch wenn Herzog im Namen von Kutschke betont, es sei kein persönlicher Angriff auf Minge gewesen. Der Rat des Beraters, das Handy als eine Waffe zu verstehen, die man nur im Notfall benutzt, kommt in dem Fall allerdings zu spät.