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Eine Schule zum Wohnen

In der ehemaligen Leninschule in Döbeln Ost entstehen 24 Wohnungen. Aber erst einmal kommt der Abrissbagger.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Die alte Farbe blättert in großen Schollen von den Wänden. Die langen Gänge wirken gespenstig. Wo im Chemiekabinett der Lehrertisch stand, ragen noch ein paar Rohrenden aus dem Boden, im Keller haben sich Zehntklässler auf einer Wand verewigt, die den Raum 1985 vorgerichtet haben. In der ehemaligen Leninschule waren seit 1972 Generationen von Schülern unterrichtet worden. Nach der Wende war sie noch Außenstelle des Gymnasiums, bis sie nicht mehr gebraucht wurde. Seitdem steht sie ungenutzt, die Scheiben sind eingeworfen. „Kaum zu glauben, dass aus diesem Objekt etwas werden kann“, meint Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer. Aber es wird etwas daraus. Am Freitag hat die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt den Baustart für ein ehrgeiziges Vorhaben gegeben – den WGF-Wohnpark. Voraussichtlich im September geht es los. Bauzeit: ein reichliches Jahr.

Ganze Generationen Schüler sind durch diese Gänge gelaufen. Sie werden nicht mehr benötigt und in die Wohnungen mit einbezogen, die in der ehemaligen Leninschule entstehen.
Ganze Generationen Schüler sind durch diese Gänge gelaufen. Sie werden nicht mehr benötigt und in die Wohnungen mit einbezogen, die in der ehemaligen Leninschule entstehen. © André Braun

Vor dem Ausbau kommt der Abriss. Etwa ein Drittel der Plattenbauschule kommt weg. Übrig bleibt ein Gebäude von 57 Meter Länge und zehn Meter Breite, in dem in fünf Etagen 24 Wohnungen entstehen. Die ehemaligen Schulräume geben das Raster vor, in das die Wohnungen eingebaut werden. Um die Statik des Plattenbaus nicht zu gefährden, können nur im begrenzten Maße Wände herausgenommen werden, sagte die Architektin Uta Skirl. Die Wohnungsgenossenschaft hatte die Bausubstanz untersuchen lassen – sie ist im Grunde ziemlich solide.

Wohnungen für alle Lebenslagen sollen es werden, sagte Vorstand Viehrig. Was heißt: Die Wohnungen sind zwar seniorengerecht, aber auch für Familien mit Kindern geeignet. Es wird Dreiraum- und Zweitramwohnungen zwischen 77 und 56 Quadratmeter Fläche geben. Alle sind über Aufzüge zu erreichen. Die Wohnungen haben keine Schwellen und breite Türen. Die Bäder sind barrierefrei und so dimensioniert, dass sich der Bewohner auch mit Rollator gut bewegen kann. Etwa 50 Interessenten haben sich schon gemeldet, sagte Silke Härtig, bei der Genossenschaft zuständig für Wohnungsvermietungen. „Wir haben schon vier feste Zusagen.“

Rund 3,5 Millionen Euro kostet der Umbau der Schule. Die Wohnungsgenossenschaft bekommt dafür Förderkredite der Sächsischen Aufbaubank für die energetische Sanierung und den seniorengerechten Umbau. Damit seien detaillierte Auflagen verbunden, sagte Viehrig. Eine Wohnung soll als Musterwohnung für die Forschungsprojekte zum Wohnen im Alter hergerichtet werden, an denen die Genossenschaft beteiligt ist.

Die Firma B&O Wohnungswirtschaft aus Chemnitz ist der Generalauftragnehmer. Für Projektleiter Detlef Buschmann-Wölk und seine Mannschaft ist der Umbau einer Schule zu Wohnzwecken auch Neuland. Neben einer neuen Kubatur bekommt das Gebäude vor allem eine umfassende Wärmedämmung an Dach, Keller und Fassade. Die jetzigen langen Fensterbänder werden durch kleinere Fenster ersetzt. Der frühere Haupteingang mit dem Vordach entfällt, das Foyer wird zu Abstellräumen. Alle Wohn- und Aufenthaltsräume werden auf der Südseite liegen – auch die Balkone und Terrassen, mit denen die Wohnungen ausgestattet sind.

Die Idee, die Schule umzubauen, hat Stefan Viehrig seit zehn Jahren mit sich herumgetragen, wie er sagte. Andere Projekte hatten immer Vorrang. Eigentlich wollte die Stadt das rund ein Hektar große Gelände in Döbeln Ost gegen Flächen in Döbeln Nord eintauschen, aber die Partner konnten sich nicht einigen. Also hat die Genossenschaft das Gelände samt Schule im vergangenen Jahr gekauft. Die Stadt hatte schon Pläne, die Schule abzureißen. Architektin Skirl hält die Idee der Nachnutzung aber für bestechend. Vorhandene Gebäude weiter zu nutzen, das sei auch im Sinne des Ressourcen- und Umweltschutzes.