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„Eine Pflichtfeuerwehr wäre das letzte Mittel“

Den Riesaer Kameraden fehlt Personal. Werbung allein reicht nicht, sagt Wehrleiter Egbert Rohloff.

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© Sebastian Schultz

Riesa. Zu 520 Einsätzen mussten die Riesaer Feuerwehrleute im vergangenen Jahr ausrücken. Das sind etwas weniger als im Vorjahr. Ein Trend lässt sich daraus nicht ableiten, sagt Wehrleiter Egbert Rohloff. Anders dagegen bei der Mannstärke: Die Zahl der Einsatzkräfte ist deutlich niedriger, als eigentlich vorgesehen. Besserung ist nicht in Sicht. Die SZ hat mit Rohloff unter anderem darüber gesprochen.

Herr Rohloff, die Feuerwehr hat im vergangenen Jahr so viele Türen für den Rettungsdienst öffnen müssen wie noch nie. Müsste das nicht eigentlich ein Schlüsseldienst erledigen?

Das Wort Schlüsseldienst stimmt in dem Zusammenhang nicht. Die Feuerwehr ist kein Dienstleister, der anderen die Arbeit wegnimmt. Wir öffnen die Türen nur, wenn Eile geboten ist. Das heißt: Alle Einsätze, die wir in diesem Zusammenhang durchgeführt haben, kamen über die Leitstelle zu uns. Da hatte also zuvor jemand den Notruf gewählt.

In anderen Situationen ist die Feuerwehr dagegen durchaus eine Art Dienstleister. Tierkadaver beispielsweise könnten ja auch Firmen beseitigen.

Wer soll diese Aufgabe in Riesa sonst übernehmen? Den Bauhof gibt es ja nicht mehr, die AGV würde zusätzliches Geld kosten. Und in der Hauptwache haben wir hauptamtliche Kräfte. Dafür brauchen wir einen Mann, wir sind davon nicht in der Einsatzbereitschaft gehemmt.

Trotzdem ist die Personalsituation weiterhin das große Thema – nicht nur der Riesaer Feuerwehren. Sie haben selbst davon gesprochen, dass das die größte Herausforderung sei.

Ja, es ist sehr schwierig, Personal zu bekommen. Unsere Feuerwehren haben im vergangenen Jahr viel in der Öffentlichkeitsarbeit getan: Wir hatten einen Tag der offenen Tür, haben 125 Jahre Gröba gefeiert oder hatten zum zweiten Mal unsere Weihnachtsbaumverbrennung. Aber es kommt am Ende fast nichts dabei heraus. Wir sind dran, aber ich kann auch nicht jedes Wochenende die Feuerwehrkräfte für Öffentlichkeitsarbeit binden.

Sicher nicht der einzige Grund für die Lage, oder?

Der eine oder andere hat sich auch beruflich verändert und ist umgezogen. Und dann gibt es noch Kameraden, die sagen: Wir sind jung und wollen bauen – aber hier gibt es zu wenig Bauland oder es ist zu teuer. Die ziehen dann in den Speckgürtel, da freuen sich dann die Gemeindefeuerwehren – wobei die auch zu kämpfen haben. Und dann kommt noch ein Problem auf uns zu: In zwei, drei Jahren gehen die ersten Aktiven in Rente.

Was könnte man denn dagegen unternehmen?

Die Empfehlung geht in die Richtung, dass sich die Gemeinden zusammenschließen. Das wird nicht ausbleiben, wenn wir keine weißen Flecken haben wollen, die wir nicht innerhalb der geforderten 13 Minuten abdecken können. Eine Pflichtfeuerwehr bringt’s am Ende auch nicht – aber das wäre das letzte Mittel. In jedem Fall wird aber die gegenseitige Unterstützung mit den Randgemeinden nicht ausbleiben. Schon jetzt ist das ja der Fall, etwa bei dem schweren Unfall vergangene Woche an der B 169: Da waren wir auch vor Ort, habe Rettungsmaßnahmen eingeleitet und uns dann zurückgezogen und die Kameraden ihre Arbeit machen lassen. Das funktioniert also bereits.

Müssen denn auch Feuerwehren zusammengelegt werden?

Ausschließen kann man das nicht. Wir hatten so etwas ja schon in der Vergangenheit, mit Canitz und Pochra. Die Kameraden in Weida und Nickritz arbeiten beispielsweise schon jetzt sehr eng zusammen. Zumindest eine solche Zusammenarbeit werden wir forcieren müssen. Welche Standorte erhalten bleiben, hängt auch vom Brandschutzbedarfsplan ab. In den lesen wir uns gerade ein, da gibt es noch Gesprächsbedarf an einigen Stellen.

Mit dem Bedarfsplan steht und fällt auch die Frage, an welchen Standorten investiert wird. In dieser Hinsicht hat die Feuerwehr einigen Nachholbedarf, nicht nur mit Blick auf die teils maroden Gerätehäuser.

Wir sind gerade dabei, unsere Funkalarmierung umzurüsten. Das ist auch wichtig, denn weil der Landkreis bereits auf ein anderes System umgestellt hat, gehen zurzeit einige Alarmierungen nicht zu den Kameraden raus. Das heißt, es muss eine Nachalarmierung per Handy stattfinden. Bis Mai, Juni wollen wir die Funkalarmempfänger komplett ausgetauscht haben. Außerdem wollen wir weitere Pressluftatmer beschaffen. Da hat uns im vergangenen Jahr die Stadt unterstützt.

... nachdem der Landkreis auf die Fördermittelanfrage mit einer Absage reagiert hatte.

Ja, wir haben uns eine Abfuhr geholt. Im vergangenen Jahr hat der Freistaat die Festbeträge für die Förderung erhöht, gleichzeitig wurde aber nicht die Summe aufgestockt. Das heißt, dass am Ende weniger Feuerwehren profitieren. Der Kreisbrandmeister hat eine Förderliste, die er abarbeitet – und auf der stehen Gerätehäuser und Fahrzeuge ganz oben. Das heißt, wir bekommen derzeit keine Fördermittel für Ausrüstung. Deshalb hatte sich der Kreisbrandmeister auch an das Land gewendet und darum gebeten, den Fördertopf aufzustocken – erfolglos. Für andere Sachen ist ja auch Geld da. Das sehen natürlich auch die Feuerwehrleute und sagen dann: „Wir sollen uns hier freiwillig hinstellen, bekommen aber kein Geld für Ausrüstung.“

Das Gespräch führte Stefan Lehmann.