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Eine Pfarrstelle für 1 300 Gläubige

Wegen des demografischen Wandels fordert Superintendent Andreas Beuchel ein Umdenken unter Kirchgängern.

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© Klaus-Dieter Brühl

Herr Beuchel, Anfang April hat die Synode der sächsische Landeskirche Strukturänderungen vorerst zurückgestellt. Am 24. April wird die Bezirkssynode des Kirchenbezirkes Meißen-Großenhain in Großenhain dazu tagen. Was steht auf dem Spiel?

Bekanntermaßen geht es um den demografischen Rückgang der Bevölkerung und damit der Kirchgemeindeglieder und die Anpassung daran. Dafür ist unser Kirchenbezirk bereits unterschiedlich strukturiert. Während es um Riesa und Großenhain schon länger Zusammenschlüsse gibt, hat der Bereich Meißen bis auf das Wilsdruffer Land noch keine größeren Einheiten wie Kirchenspiele gebildet. Um die nötige Reduzierung der Stellen zu schaffen, werden wir längerfristig wahrscheinlich fünf Regionen bilden, in denen die kirchlichen Mitarbeiter dann tätig sind.

Wie viele Pfarrstellen müssen denn eingespart werden? Was sind die Maßstäbe für neue innerkirchliche Strukturen?

Die Prognose

2014 gab es bei der evangelischen Landeskirche 727880 Mitglieder, für die 550 Dreiergespanne (Pfarrer/Kantor/Gemeindepädagoge) tätig waren.

2040 werden es voraussichtlich noch 416000 Gemeindeglieder sein, für die 320 Dreiergespanne arbeiten.

Es müssen beim Rückgang von 311880 Gemeindegliedern 230 Dreiergespanne gekürzt werden = 42%.

www.evlks.de

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Auch künftig soll eine Pfarrstelle in ländlichen Regionen auf 1000 bis 1300 Gläubige kommen, in den größeren Städten auf etwa 2000. Wir haben jetzt 41 Pfarrstellen im Kirchenbezirk einschließlich der Vakanzen, also der nicht besetzten Stellen. Auf 37 müssen wir rein rechnerisch bis 2019 reduzieren. Also vier Pfarrstellen fallen weg. Wir rechnen aber im Dreiergespann, denn die Kirchenmusik und die Gemeindepädagogik müssen auch personell abgedeckt werden. Im ländlichen Raum soll es nach dem Strukturpapier der sächsischen Landeskirche eine verminderte Reduzierung der Pfarrstellen geben, in Großstädten mit mehr Kindern wird dagegen weniger am gemeindepädagogischen Personal gespart. Es bleibt dabei zu bedenken, dass unsere Ephorie jedes Jahr etwa 1000 Gemeindeglieder durch zu wenige Neuzugänge verliert. Die Landeskirche verliert sogar rund 1000 Gemeindeglieder im Monat.

Wie wird die Reduzierung der Pfarrstellen im Einzelnen ablaufen?

Bei der Stellenplanung im Landeskirchenamt wird geschaut, welche Pfarrstellen über 2019 rechnerisch Bestand haben. Nur diese werden wiederbesetzt, wenn sie vakant sind. Pfarrer gehen zum Beispiel in den Ruhestand wie letztes Jahr in Radeburg. Diese Stelle ist zur Neubesetzung freigegeben. Außerdem sollen Pfarrer möglichst nach zehn Jahren ihre Kirchgemeinde wechseln. Wie jetzt in Bärnsdorf-Naunhof geschehen. Dort gibt es erst einmal eine Vakanzvertretung wie auch für die Pfarrstelle in Leuben-Ziegenhain-Planitz.

Sie sagten, der Zusammenschluss in Kirchspiele hat Vorbildfunktion. Was könnte das für die Gemeinden heißen?

Zurzeit wird in der Landeskirche noch über die Rechtsformen der zukünftigen Kirchgemeinden diskutiert. Welche es werden, ist noch offen. Der ganze Prozess wird derzeit emotional, aber auch besonnen diskutiert. Natürlich gibt es Ängste und Enttäuschungen. Wir versuchen, den Kirchvorständen und Gemeindegliedern zu vermitteln, dass eine neue Verteilung von Pfarrstandorten und Seelsorgebezirken sinnvoll sein kann. In größeren Sozialräumen wollen wir ein „Netz“ aufbauen.

In Kirchspielen wie zum Beispiel im Großenhainer Land arbeiten dann mehrere – Pfarrer, Kantoren, Gemeindepädagogen – zusammen. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter in größeren Räumen denken und trotzdem lokal präsent sind. Gerade an den Sonntagen wünsche ich mir, dass überall die Glocken läuten und zu Gottesdiensten oder Andachten eingeladen wird. Deshalb werden wir zusätzlich Lektoren ausbilden, die auch Gottesdienste halten. So kann zum Beispiel das Kirchspiel Zeithain mit nur zwei Pfarrstellen 15 Kirchen bedienen. Dort sind schon Pfarrer im Ruhestand, Prädikanten und Lektoren tätig, die das Gemeindeleben mit vielen Engagierten mitgestalten.

Was wünschen Sie sich dabei als oberster Dienstherr im Kirchenbezirk?

Dass wir in diesem ganzen Prozess offen bleiben. Wenn wir über die kirchliche Zukunft nachdenken, sollten wir den Strukturwandel breit diskutieren, gute Modelle ausbauen und übernehmen. Natürlich weiß ich, dass manche Gläubige es anders gewöhnt sind und sich schwertun, den Gottesdienst und andere Angebote im Nachbarort zu besuchen. Da ist ein Umdenken nötig. „Kirche vor Ort“ muss eine Einladung bleiben, aber „Kirche in der Region“ kann neue Angebote entwickeln.

Die Kirchgemeinden sollen nach wie vor Räume der Begegnung und der vielfältigen Glaubenserfahrungen anbieten. Wir haben in den letzten Jahren den baulichen Zustand vieler Kirchen und Gemeindehäuser verbessern können, darüber freuen wir uns. Kirchliches Tun lebt von den Menschen, denen ihr Glaube wichtig ist. Das strahlt aus in die Welt. Die Osterbotschaft von der Auferstehung erinnert uns daran: Es gibt immer wieder neues Leben!

Gespräch: Kathrin Krüger-Mlaouhia