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Eine Patin für die neue Heimat

Brigitte Herrmann vermittelt Mentoren für Asylbewerber. Mit ihrem eigenen Zögling feiert sie jetzt einen besonderen Erfolg.

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© Norbert Neumann

Von Sarah Grundmann

Brigitte Herrmann und Omid Sadr haben es sich im Alaunpark gemütlich gemacht, heute haben die beiden sich viel zu erzählen. Nachher wollen sie auch noch eine Flasche Sekt köpfen – denn es gibt etwas zu feiern: Sadr hat endlich einen Ausbildungsplatz bei einem Dresdner Unternehmen in Aussicht. Monatelang hatte der iranische Asylbewerber vorher gesucht. Und Herrmann hat dem 32-Jährigen dabei geholfen. Denn die Deutsche und der Iraner haben eine ganz besondere Beziehung zueinander: Sie sind ein „Paten-Paar“.

Zusammen kochen die beiden, lernen Deutsch oder halten ein Schwätzchen im Alaunpark. „Gitti“, wie Sadr seine Zieh-Mutter nennt, lädt den jungen Flüchtling oft zu sich nach Hause ein. Außerdem hilft sie ihm im Alltag, zum Beispiel beim Umgang mit den Nachbarn oder eben bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Als ich nach Deutschland gekommen bin, war es schwer“, sagt Sadr. Schließlich musste der Flüchtling sich in einer ganz anderen Kultur zurechtfinden. Der Iraner wunderte sich zum Beispiel, warum es in Deutschland so still ist, sagt er. In seinem Heimatland sei es ständig laut, überall werde Musik gespielt. „Gitti und ihr Mann haben mir sehr geholfen, mich zurechtzufinden“, sagt er. Der junge Mann kann sich im Gespräch kaum konzentrieren: Zu groß ist die Freude über die guten Neuigkeiten. Immer wieder verfällt er ins Englische. Und das, obwohl der Iraner mittlerweile gut Deutsch spricht. Auch dabei hat Herrmann ihm geholfen. „Sie ist hier meine beste Freundin“, schwärmt Sadr. Sich ohne Hilfe ein Leben in Deutschland aufzubauen, das hätte er sich schwer vorstellen können.

Aber auch Herrmann hat nur gute Worte für ihren „Zögling“ übrig. „Es braucht seine Zeit, um miteinander warm zu werden“, sagt sie. „Aber dann gibt es viele kleine Momente, die sich lohnen.“ Die Paten-Mutter findet, dass die Flüchtlinge Dresden zu einem menschlicheren Ort machen. „Im Umgang mit fremder Kultur kann man die eigene besser verstehen.“ Deswegen kam ihr gemeinsam mit ihrer Freundin Kerstin Arroyo vor etwa neun Monaten auch die Idee, ein Patenschaftsprojekt mit Asylbewerbern ins Leben zu rufen – neben Herrmann und Sadr gibt es bereits 17 weitere Doppel.

„Entstanden ist alles aus einer Nachbarschaftssache“, erinnert sich Herrmann. Sie wohnt in unmittelbarer Nähe zum Asylbewerberheim auf der Buchenstraße, in dem auch Sadr zunächst untergebracht war. Mittlerweile lebt er mit anderen Flüchtlingen in einer Wohnung. „Ich habe mich damals gefragt, was ich für die Bewohner tun kann und fing an, Deutschkurse zu geben“, sagt Herrmann. Doch nach einer Weile bemerkte sie, dass das Wichtigste fehlt: Der Kontakt mit hier lebenden Menschen, deren Alltag zu erleben. „Dabei geht es um Kleinigkeiten“, sagt die Dresdnerin. „Wie schreibe ich einen Brief oder trenne Müll?“

Schnell fanden sich auch andere Dresdner, die helfen wollten. „Die Paare unternehmen ganz unterschiedliche Dinge miteinander“, sagt die Organisatorin. „Manche spielen Fußball, feiern Weihnachten und Silvester gemeinsam oder gehen einfach nur spazieren.“ Mittlerweile hat Herrmann sich mit der Initiative „Neustadt ist bunt“ zusammengeschlossen, fünf Organisatoren kümmern sich jetzt um die Verteilung der Paten. „Meistens telefonieren wir mit den Interessierten, bringen erst einmal in Erfahrung, welche Sprachen gesprochen werden“, so die 44-Jährige. „Dann schau ich mich nach einem „Patenkind“ um. Manche Asylbewerber fallen da schon raus, weil sie weder Deutsch noch Englisch sprechen.“

Flüchtlinge müssen einfach aus dem Kreis anderer Flüchtlinge raus und den Alltag deutscher Familien kennenlernen – da ist sich Herrmann sicher. Deswegen hofft sie, dass noch mehr Dresdner Paten von Asylsuchenden werden wollen. Sadr und Herrmann haben jedenfalls beide von dem Projekt profitiert. Ohne es könnten sie heute keine Flasche Sekt köpfen, da ist sich der Iraner ganz sicher.

Wer auch eine Asylpatenschaft übernehmen möchte, kann sich per E-Mail an Brigitte Herrmann wenden: [email protected]