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Eine neue Chance mit Schokolade

Im Schluckenauer Zipfel stellen behinderte Menschen Süßigkeiten her. Für manche ist es der Start in ein neues Leben.

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© Michal Safus

Von Petra Laurin

Über 20 Jahre war Jitka Gažiová Buchhalterin. Dann wurde sie von einem Tag auf den anderen wegen einer Krankheit Invalidenrentnerin und suchte lange nach einer passenden Beschäftigung. Sie hatte Glück. Seit zwei Jahren stellt sie in der kleinen Schokoladenfabrik „Mana“ im tschechischen Krásna Lípa (Schönlinde) im Schluckenauer Zipfel Bonbons und Pralinen her. „Meine Lieblingspralinen sind die mit Nuss in Honig, oder weiße Schokolade mit Zimt“, verrät sie. In der betreuten Werkstatt der Sozialgenossenschaft Cedrovatka arbeiten außer Frau Gažiová 15 weitere Beschäftigte mit Behinderung und Langzeitarbeitslose. Die Einrichtung wurde 2012 in Varnsdorf (Warnsdorf) gegründet. Miroslav Rebicek, Initiator des Projekts, bat damals einen erfolgreichen Unternehmer um Rat für sein Vorhaben. Dieser gab der Sozialgenossenschaft die Empfehlung, es zunächst ganz ohne Fördermittel von Stadt, Staat oder EU zu versuchen. Und es klappte tatsächlich. „Die Ausstattung für die Herstellung von Bonbons und Pralinen haben wir aus eigenen Mitteln gekauft“, sagt Pavlina Šafusová, Direktorin der Manufaktur. In die Geheimnisse der Schokoladenherstellung wurden die Behinderten von Schokoladenmeister Daniel Syrový eingeführt. Auch der große Enthusiasmus half allen neuen Mitarbeitern, sich schnell zurechtzufinden. Heute erzeugt die Fabrik, in der über die Hälfte der Beschäftigten Menschen mit Beeinträchtigungen sind, pro Monat mindestens 200 Kilogramm Schokolade. 100 verschiedene Sorten an Leckereien werden produziert. Nicht nur Bonbons, sondern auch Schokoladentafeln, zum Beispiel mit Regionalmotiven – wie Aussichts-türmen der Böhmischen Schweiz – auch Schokofrüchte, heiße Schokolade und Lollys gehören zu den Produkten der Schokoladenfabrik „Mana“. Alle Produkte werden aus hochwertigen Zutaten und ohne Konservierungs- oder Farbstoffe hergestellt. Die Schokoladenmasse kommt aus Belgien, die Kokosnüsse aus Venezuela, Tansania oder Mexiko. „Aufwärmen, rühren, auf einer Marmorplatte abkühlen und noch mal aufwärmen, würzen und in Formen gießen. Klingt einfach, die Anfänge waren aber nicht leicht“, erinnert sich Gründer Miroslav Rebicek. Schließlich komme es auf die richtige Zusammensetzung an.

Jitka Gažiová bei der Abkühlung der Schokomasse, ...
Jitka Gažiová bei der Abkühlung der Schokomasse, ... © Michal Safus
...  die fertig so aussieht. Den Namen „Mana“ für die Fabrik wählten die Einwohner von Krasna Lipa in einer Internetumfrage aus.
... die fertig so aussieht. Den Namen „Mana“ für die Fabrik wählten die Einwohner von Krasna Lipa in einer Internetumfrage aus. © Michal Safus

Auch nach zwei Jahren noch, die sie bereits hier arbeitet, sei sie immer neugierig, was aus den Formen am Ende herauskommt, sagt die ehemalige Buchhalterin Jitka Gažiová. Die Arbeitsaufgaben werden je nach Fähigkeiten, Zeit und Wünschen der Mitarbeiter verteilt. „Die Stimmung ist super, alle hier sind sehr nett. Wir arbeiten in Schichten und haben die Möglichkeit, uns auszuruhen. Ich muss nur so viel machen, wie ich schaffe“, erzählt Frau Gažiová. Sie wohnt im acht Kilometer entfernten Rumburk (Rumburg), zur Schokoladenfabrik gibt es eine gute Busverbindung. Dank eines Festvertrages kann auch Martin Kytka trotz einer Behinderung wieder selbstständig leben. „Früher war ich in verschiedenen Sozialeinrichtungen, dort habe ich mich nicht so wohlgefühlt“, erzählt Kytka. Dank der Arbeit kann der junge Mann nun allein in einer betreuten Wohnung leben. „Hier haben die Leute gelernt, sich selbst etwas zuzutrauen“, bemerkt Direktorin Šafusová. Der Fabrik sind nicht die Gewinne das Wichtigste, sondern die neuen Lebenschancen für Menschen mit Behinderung.

Die Schokoladenfabrik ist dabei immer für Neugierige offen. Sie befindet sich auf dem Marktplatz Krinické námestí und kann täglich, von 9 bis 17 Uhr, besichtigt werden. Neu zur Einrichtung gehören ein Geschäft und eine Erlebniswerkstatt, in der Besucher eine Schokotafel nach eigenem Geschmack herstellen können. Diese neue Attraktion findet großes Interesse, auch bei deutschen Touristen. Es kommen Familien, Kindergruppen, Firmenbelegschaften. Die kleinen Pralinenschachteln werden ebenfalls in Handarbeit aus Papier hergestellt. Einige Produkte aus der Mana-Fabrik haben vom Kreis Usti bereits den Titel als bestes Lebensmittelprodukt erhalten.