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Eine Mieterin, die kein Vermieter mag

Das Verfahren gegen eine Frau, die ihre Wohnung vermüllt und keine Miete bezahlt, ist schon peinlich genug. Doch es kommt noch schlimmer.

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© Tobias Wolf

Von Jürgen Müller

Meißen. Solche Leute nennt man Mietnomaden: Menschen, die Wohnungen mieten, diese total vermüllen, keine Miete zahlen, dann über Nacht verschwinden. Die Angeklagte ist schon 14, 15 Mal umgezogen, wohnte in Löthain, Kaisitz, Hof bei Oschatz, Lommatzsch, Riesa, zuletzt in Coswig. Oft hinterließ sie das totale Chaos. So auch in Coswig. Andere Mieter beschweren sich über bestialischen Gestank, der aus ihrer Wohnung dringt. Als der Vermieter die Tür öffnet, findet er 35 Müllsäcke voller Katzendreck und anderem Unrat. Die Säcke laufen aus, eine ätzende Flüssigkeit versaut den Laminatfußboden, der komplett herausgerissen werden muss. An den Wänden findet sich Katzenkot, in der Küche liegen verschimmelte Lebensmittel. Ein beleuchteter Spiegel fehlt. Einschließlich nicht gezahlter Mieter entsteht dem Vermieter ein Schaden von 4 600 Euro.

Wegen Sachbeschädigung und Unterschlagung soll die Angeklagte eine Geldstrafe von 750 Euro zahlen. Sie geht in Einspruch. So wird in dieser Sache schon den dritten Tag am Amtsgericht Meißen verhandelt. Und die 47-jährige gelernte Krankenschwester kommt mit dem dritten Verteidiger. Der trägt einen ehemaligen Adelstitel im Namen, nimmt sich ganz wichtig und das Gericht nicht ernst. Mehrfach betont er schon während der Verfahrens, er werde gegen das Urteil sowieso vorgehen.

Die Angeklagte bietet einen weiteren Zeugen auf. Er soll sie entlasten. Der Mann ist ein Staatsanwalt. Der verheiratete Mann hatte ein Verhältnis mit der Angeklagten, die bereits mehrfach wegen Betruges sowie wegen Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verurteilt wurde. Sie ließ in einem Lommatzscher Ortsteil Hunde und ein Kaninchen verhungern und verdursten. Das Amtsgericht Riesa verhängte ein einjähriges Tierhalteverbot.

Viel Pech im Leben

Der Zeuge sagt, er habe die Frau unterstützen wollen, weil sie viel Pech im Leben gehabt hätte. So hätte sie ihr Mann mit den zwei Kindern sitzenlassen, trotz Top-Qualifikation habe sie nie einen adäquaten Job gefunden. Der Staatsanwalt, dem es offenbar peinlich ist, sich mit einer Betrügerin eingelassen zu haben, griff ihr jedenfalls nicht nur finanziell unter die Arme, sondern stellte für die Umzüge auch sein Auto zur Verfügung. Doch in der Wohnung sei er nie gewesen. Als Zeuge in dieser Sache taugt er also nicht. Wahrscheinlich sollte seine Ladung nur Eindruck hinterlassen.

Der Verteidiger sieht seine Felle wegschwimmen, versucht es mit juristischen Winkelzügen. Der Vorwurf im Strafbefehl sei unkonkret, dies sei ein Verfahrenshindernis. Das Verfahren müsse deshalb eingestellt werden, fordert er. Auch sei die Verhandlung einen Tag zu lange unterbrochen worden. Sie sei deshalb auszusetzen und müsse völlig neu beginnen. Zur Sache lässt er sich doch noch ein. Die Sachbeschädigung räumt er ein, doch es sei kein Vorsatz erkennbar. Bei der Sache mit dem Spiegel stehe Aussage gegen Aussage. Er fordert Freispruch für seine Mandantin.

Richterin Ute Wehner geht auf die juristischen Winkelzüge des Verteidigers mit keinem Wort ein. Sie verurteilt die Angeklagte wegen Sachbeschädigung und Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 2 200 Euro. Sie geht damit deutlich über den Antrag von Staatsanwältin Claudia Jentzsch hinaus. Diese hatte 1 000 Euro Geldstrafe gefordert. Die Aussagen der anderen Zeugen seien glaubhaft und schlüssig gewesen, begründet die Richterin ihr Urteil.

Im Laufe des Verfahrens gab es zwei weitere Anzeigen gegen die Angeklagte wegen gleicher Taten. In einem Fall gibt es schon ein Urteil. Sie muss an einen Vermieter 10 000 Schadensersatz zahlen. Zahlen muss sie auch die Verfahrenskosten.