Merken

Eine lokale Naturkatastrophe

Die Straßen in der Region um Königsbrück sind beräumt. Doch ein Großteil der Arbeit wartet noch.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Schumann

Von Nicole Preuß

Die Königsbrücker haben Glück gehabt. Das hört man überall in der Stadt. Sie hatten das Glück, das kein Mensch bei dem verheerenden Sturm am Donnerstagnachmittag ums Leben oder überhaupt zu Schaden gekommen ist. Manche sind der Zerstörungskraft des plötzlichen Minitornados nur knapp entkommen. Einige sahen vor und hinter ihren Autos die Bäume fallen. Einer wollte noch schnell das Auto wegfahren und war nur wenige Meter von ihm entfernt, als ein Stamm auf der Fahrerseite seines Fahrzeugs einschlug. Die Königsbrücker hatten Glück. Der Sturm hat aber auch vieles in der Stadt zerstört.

Die Schäden im Tiefental reichen bis ins Haselbachtal. Der Eingang zum Tal bei Gräfenhain ist vollkommen zerstört.
Die Schäden im Tiefental reichen bis ins Haselbachtal. Der Eingang zum Tal bei Gräfenhain ist vollkommen zerstört. © Matthias Schumann
Der Spielwald der Kita Rappelkiste im Hintergrund ist sehr licht geworden.
Der Spielwald der Kita Rappelkiste im Hintergrund ist sehr licht geworden. © Matthias Schumann
Das Sturmtief warf selbst mächtige Stämme um, wie am Garnisonshaus in der Nähe des Via Regia Parks.
Das Sturmtief warf selbst mächtige Stämme um, wie am Garnisonshaus in der Nähe des Via Regia Parks. © Matthias Schumann

Die Leiterin der Kita Rappelkiste hatte an dem Donnerstag Spätschicht. „Die Kinder waren alle abgeholt und kurz danach hat der Sturm alles umgelegt“, sagt Marlene Buhl. Das sieht man noch Tage danach. Der Spielwald hinter der Einrichtung ist wie ein riesiges Mikadospiel zusammengeklappt. Es stehen nur noch wenige der großen, alten Kiefern und der Laubbäume. Die Kita setzt auf ein naturnahes Konzept und lässt die Kinder in dem großen Waldstück mit den Spielgeräten und den Sandkästen Pflanzen und Tiere erkunden. Genau an diesem Tag waren ungewöhnlicherweise nur noch drei Kinder da, die dann auch eine Viertelstunde vor dem plötzlichen Sturm abgeholt wurden. Die Leiterin erfuhr dann von einem Feuerwehrmann von dem Ausmaß der Zerstörung. Die Kinder können nun nicht mehr auf den Spielplatz gehen. Das Gelände ist abgesperrt, die Kita kann aber noch genutzt werden. Die Stadt hat eine Firma beauftragt, die den Spielplatz und den Wald mit Forstmaschinen beräumen wird. „Viele Eltern haben angeboten zu helfen“, sagt Marlene Buhl. Die Situation ist aber noch zu gefährlich.

„Feuerwehr, Feuerwehr“

Der Hortwald an der Grundschule ist ebenfalls betroffen. Die Mitarbeiter der Bauhöfe von Königsbrück und Bernsdorf durchforsten den Wald, um ihn wieder sicher zu machen. Die Hortkinder warten schließlich. Die Feuerwehr hat erst einmal den Via Regia Park in der Nähe der Kita Rappelkiste beräumt. Dort ist auch ein Spielplatz, der dann von den Kindern genutzt werden kann. Die Kinder standen schon am Montag an der Absperrung und riefen: „Feuerwehr, Feuerwehr.“ „Das sind dann die positiven Momente“, sagt Stadtwehrleiter Torsten Peter. Er ist mit den Kameraden seit mehr als vier Tagen mit der Beseitigung der Schäden beschäftigt. 86 Einsätze haben die Feuerwehrleute und ihre Helfer aus den umliegenden Wehren im Gemeindegebiet inzwischen hinter sich gebracht. Montag sind Feuerwehrleute im Einsatz, die an diesem Tag sowieso frei haben. Sie erledigen Aufgaben, für die die technischen Voraussetzungen ausreichen. „Auf so ein Szenario kann man sich nicht vorbereiten“, sagt Torsten Peter. Schon gar nicht in Bezug auf die Ausrüstung.

Lange Liste mit Schäden

Die Feuerwehr hat in den vergangenen Tagen Straßen beräumt und Gefahrenstellen beseitigt. Die Königsbrücker können immer noch die 112 rufen, wenn sie herabhängende Äste über Straßen oder gefährlich schief stehende Bäume an öffentlichen Plätzen entdecken. „Wir können aber keine großen Aktionen machen“, sagt Torsten Peter. „Wir müssen einsatzbereit bleiben.“ Wenn es irgendwo brennt oder bei einem Unfall eine Hilfeleistung gebraucht wird, müssen die Feuerwehrleute sofort alles stehenlassen können, um an anderer Stelle zu helfen. Das schließt die Hilfeleistung bei einigen Sturmschäden inzwischen aus. Bürgermeister Heiko Driesnack (CDU) hat inzwischen eine Liste mit noch nicht abgearbeiteten Schäden angefertigt. Den Parkplatz des Stadtbades soll am Dienstag wieder freigegeben werden. „Mein Dank geht an die Kameraden und alle freiwilligen Helfer“, sagt der Bürgermeister.

Eine Familie an der Gräfenhainer Straße, die besonders vom Sturm betroffen war, hat sich eine Firma geholt. Der Harvester fällt die schief stehenden Bäume. „Wir sind so dankbar, dass sie uns unterstützen“, sagt die Grundstückseigentümerin. Sie wohnte einmal in einer Art Wald. Doch 95 Prozent der Bäume hat das Sturmtief mit immenser Kraft abgeknickt. Die Frau war gerade mit ihrer erwachsenen Tochter ins Haus gegangen, als der Sturm vor der Tür wütete. „Das ging Schlag auf Schlag.“

Ihr Nachbar Andreas Goy war gerade auf dem Weg nach Hause und sah erst dort das ganze Ausmaß der Zerstörung. Die gesamte Zufahrt war mit Bäumen und Ästen übersät. „Man sah gar keine Pflastersteine mehr“, sagt er. Sein Vater war mit seinen 77 Jahren schon am Aufräumen. Der Chef von Andreas Goy hat ihm den Montag freigegeben. Man rücke zusammen in der Not, heißt es oft. Das gilt auch für die Waldbesitzer. Viele Wälder wurden vom Sturm sozusagen umgemäht. Die Gebiete dürfen nicht mehr betreten werden, einige Besucherpfade des Naturschutzgebietes können auch nicht genutzt werden. In manchen Teilen des Waldes sind die Bäume wie Streichhölzer abgeknickt. „Wir brauchen Hilfe“, sagt ein Waldbesitzer. „Das ist eine lokale Naturkatastrophe.“

Holz können betroffene Grundstücksbesitzer an den Sammelstellen an der verlängerten Steinborner Straße (Neues Lager) und an der Wiese am Park in Röhrsdorf ablegen. Die Stadt bittet jedoch, auf Wurzeln zu verzichten.