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Eine Kirche gegen das System

Der Gemeinde „Heilige Familie“ wurden in der DDR Steine in den Weg gelegt. So geht es ihr heute.

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© René Meinig

Von Maximilian Helm

Michael Gehrke ist Pfarrer. Und obwohl er erst seit einem Jahr in der „Heiligen Familie“ in Kleinzschachwitz predigt, weiß er viel über deren bewegte Geschichte. Besonders der Bau der Kirche prägt die Gemeinde noch heute.

Der Bruder des damaligen Pfarrers war Maurer, ein Gemeindemitglied Architekt. Als das Gotteshaus vor 35 Jahren errichtet wurde, halfen unzählige Menschen mit. Denn Kirchenneubauten waren im atheistischen System der DDR nur möglich, wenn sie mit Westgeld bezahlt wurden. Das fehlte der Gemeinde, obwohl der Bau einer richtigen Kirche überfällig war.

In den 20er-Jahren kamen immer mehr Arbeiter aus katholischen Regionen in das protestantische Dresden. Zur gleichen Zeit wollte ein Tischler in der Meußlitzer Straße sein Sägewerk verkaufen. Ein loser Zusammenschluss aus Katholiken zog auf das Gelände und gründete die Gemeinde. Ein Gebetsraum musste her, und bereits zwei Jahre später weihten sie die Notkirche in den ehemaligen Werkstatträumen ein. Zu dieser Zeit kamen jeden Sonntag bis zu tausend Gläubige. Diesem Ansturm war das kleine Gebäude kaum gewachsen. Trotzdem blieb es bis 1971 das Gotteshaus der „Heiligen Familie“.

Dann kam Pfarrer Eberhard Grond. Der kleine Mann mit dem unerschöpflichen Optimismus zog 1975 nach Dresden. Er überzeugte die Leute vom Kirchbau, ganz nach dem Motto: „Wir schaffen das schon“. Samstags war Kirchbautag, und jede Privatperson kaufte so viele Ziegel, wie es ihr erlaubt war. Doch die Stadt verweigerte die Unterstützung. Und so bauten die 2 000 Gemeindemitglieder selbst, in ihrer Freizeit, aus eigenen Mitteln und an der Grenze des Legalen. Angeleitet wurden sie von Hubert Paul, Katholik und Architekt.

Am 27. September 1981 wurde die Kirche nach zwei Jahren Bauzeit geweiht. „Noch heute merke ich, wie das Ereignis die Gemeinde zusammengeschweißt hat“, sagt Michael Gehrke. Regelmäßig sei der Bau Thema bei den sonntäglichen Gottesdiensten, zu denen etwa ein Drittel der rund 1 400 Gemeindemitglieder kommen. Dann deuten die Leute auf Dachstuhl und Wände und berichten, wie sie damals mitarbeiteten.