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Eine Halle voller Schatzkisten

Im Archäologischen Archiv lagern 21 Millionen Funde aus der Menschheitsgeschichte. Am Freitag gewährt es Einblicke.

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© Sven Ellger

Von Sebastian Martin

Dresden. In dem Karton, den Uwe Richter jetzt in den Händen hält, geht es richtig weit zurück in die Geschichte. Etwa 300 000 Jahre, sagt der Leiter des Archäologischen Archivs Sachsen und holt einen der birnenförmigen Faustkeile heraus. Die aus Feuersteinknollen hergestellten Werkzeuge sind die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung in Sachsen, gefunden um die Jahrtausendwende in einem Tagebau bei Markleeberg. Mit ihnen hätten unsere Vorfahren alles Mögliche gemacht, sagt Uwe Richter. Gehackt, geschabt, geschnitten, geschlagen – heute würde man zu ihnen wohl Multifunktionstool sagen – oder Schweizer Taschenmesser.

Diese Fliese gehörte einst zu einem Kachelofen.
Diese Fliese gehörte einst zu einem Kachelofen. © Sven Ellger
Diese jahrhundertealte Keramik stammt aus Eilenburg.
Diese jahrhundertealte Keramik stammt aus Eilenburg. © Sven Ellger

Uwe Richter legt den Faustkeil zurück und sortiert auch diesen Karton wieder in das gigantische Hochregal ein. Rund 58 000 Pappkisten mit rund 21 Millionen Fundstücken sind es insgesamt, die hier im Archäologischen Archiv lagern. Steine, Keramiken, Metalle, Knochen – halt alles, was in der Erde des Freistaats schlummert und bei Ausgrabungen zum Vorschein kommt. Selbst die kleinste Scherbe landet hier im Depot. Denn auch sie könnte Hinweise auf das Leben unserer Vorfahren in einer bestimmten Epoche geben.

Derzeit würden etwa 500 000 neue Artefakte pro Jahr dazukommen, sagt Uwe Richter. Für ihn und seine wenigen Kollegen ist das eine enorme Herausforderung – vor allem, weil der Platz in dem erst 2002 erweiterten Depot kaum noch ausreicht. Trotz einer Lagerfläche in den 5,50 Meter hohen Regalen von insgesamt gut einem Hektar. Jedes einzelne Objekt muss zudem jederzeit für Forschungsarbeiten oder Ausstellungen auffindbar sein. Zum Glück hilft ein modernes Barcode-System, das jeden Karton an einem festen Standort verbucht und durch das die Mitarbeiter Anfragen aus aller Welt schnell beantworten können – wie zuletzt vom Haus der europäischen Geschichte im belgischen Brüssel.

Perfekte Bedingungen

Am Freitag können die Besucher der Langen Nacht der Wissenschaft in Dresden den einen oder anderen Fund bestaunen. Denn neben vielen anderen Einrichtungen in der Stadt öffnet auch das Landesamt für Archäologie seine Türen. Dann präsentiert es unter anderem einen bei Bautzen gefundenen slawischen Silberschatz sowie eine virtuelle Darstellung des 7 000 Jahre alten Brunnens von Altscherbitz – des wichtigsten gefundenen Holzbauwerks aus der Steinzeit in Mitteldeutschland. Und es zeigt einen kleinen Teil des kulturellen Erbes der Sachsen, das hier im Archiv fachgerecht bei 17 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit aufbewahrt wird. Nur die Metalle und organischen Materialien mögen es etwas trockener. Sie lagern in einem Sonderdepot gleich nebenan.

Viele Gäste hätten bei den Führungen während der vergangenen Wissenschaftsnächte gefragt, ob er auch etwas über Funde in ihrer Nähe erzählen könne, sagt Uwe Richter und zieht den nächsten Karton aus dem Regal. In dem stecken mittelalterliche Keramiken aus Eilenburg, die demnächst in einer Ausstellung zur Geschichte der nordsächsischen Stadt zu sehen sein werden. Prinzipiell würden die Archäologen die Geschichte vieler Regionen in Sachsen gut kennen, sagt Richter. Denn durch die zunehmenden Bauarbeiten seit den 1990er-Jahren und den damit verbundenen Grabungen sei vieles ans Tageslicht gekommen – und am Ende auch hierher, ins Archäologische Archiv Sachsen.

Station 20: Industriepark Klotzsche