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Eine Großbaustelle im Wohngebiet

Am „Tag gegen Lärm“ sind die Anwohner auf dem Bautzner Berg verärgert. Und zwingen das Umweltamt zum Handeln.

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© René Plaul

Frank Oehl

Kamenz. Seit ein paar Wochen wird gebaut auf dem Bautzner Berg in Kamenz. Zunächst entstand eine Zufahrt von der Hohen Straße, wie es die Bauplanung ja auch vorsieht. Inzwischen greift schwere Bautechnik ins Gelände ein. Zwischen Fliederweg und Staatsstraße entsteht ein Pflegeheim für immerhin 115 Bewohner – mitsamt Wirtschaftstrakt und Parkplätzen. Das war und ist umstritten, was am Baurecht aber nichts änderte. Jetzt freilich könnte, wenn die IMMAC Sozialbau GmbH nicht einlenkt, bald ein Baustopp drohen ...

So soll sich das künftige Altenpflegeheim in das Wohngebiet auf dem Bautzner Berg in Kamenz aussehen.
So soll sich das künftige Altenpflegeheim in das Wohngebiet auf dem Bautzner Berg in Kamenz aussehen. © Repro: SZ

Die Eigenheimsiedler leiden nicht nur unter ihrer (offenbar gewünschten) Unwissenheit, was die Bauzeiträume betrifft, sondern vor allem unterm Geräusch, den die Gerätschaft macht. Auch am bundesweiten „Tag gegen Lärm“, der in dieser Woche stattfand, haben sich Betroffene wieder zusammengetan, um die Dauerbelastung nicht länger hinzunehmen. Jaqueline Stölzel zum Beispiel arbeitet als Architektin von zu Hause aus. „Das ist derzeit fast nicht möglich. Von 7 bis kurz vor 18 Uhr dröhnt es in mein Arbeitszimmer.“ Natürlich machen Bagger, Raupen und Rüttelverdichter ordentlich Lärm. Allerdings dürfen sie dies in Wohngebieten nur bis zu bestimmten Grenzwerten tun. Darauf verweist Elvira Wieczorek, deren Haus am Fliederweg beinahe mit auf der Großbaustelle steht. Sie hat ein Lärmpegelmesser dabei. „Jetzt zeigt er gerade mehr als 70 Dezibel an. Das geht gar nicht.“ Das Brummen, Dröhnen und Pfeifen der Gerätschaft nervt in der Tat schon nach wenigen Minuten. Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann daran? Anwohner Horst Greger: „Leider nicht. Es zittert nämlich das ganze Haus mit.“

Bauherren ins Amt geladen

70 Dezibel – muss man das hinnehmen? Nein, sagt Georg Richter, der Leiter des kreislichen Umweltamtes. Auf die Frage gebe es zwei mögliche Antworten. Zum einen könne man sagen, wo gebaut werde, entstehe Krach. Und da sei es besser, so schnell wie möglich durchzuziehen. „Es gibt aber auch eine rechtlich-formelle Antwort, und die gibt die Baustellenlärmverordnung vor.“ Angeregt durch die Anwohnerkritik habe man eine erste „orientierende“ Messung durchgeführt. Mit einem klaren Ergebnis. „Statt der höchstens erlaubten 55 Dezibel wurden 65 erreicht. Damit sind wir als Behörde jetzt zum Handeln gezwungen.“

Noch für den Donnerstag habe man den Bauherren ins Amt geladen, um auf eine Lärmreduzierung hinzuwirken. „Dabei geht es auch um das Betriebsregime und die Frage, wie man den Anwohnern entgegenkommen könnte.“ Vielleicht laufe es auf Ruhezeiten am zeitigen Morgen, mittags und am früheren Abend hinaus, vielleicht könnte eine Art Sorgentelefon für Anwohner eingereicht werden. „Natürlich muss ein Kleinkind mit Mutti auch mal zur Ruhe kommen.“ Von provisorischen Lärmschutzwellen hält der Experte übrigens nicht viel. „Wenn man Beugungs- und Streuungseffekte vermeiden will, müsste man dafür sehr viel Masse verdichten.“

Widerspruch noch nicht bearbeitet

Die Anwohnerschaft ist aber auch noch aus einem anderen Grund verärgert. Im September 2015 – ausführlich begründet am 16. November – hatte man in der Landesdirektion Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt. Elvira Wieczorek: „Seitdem haben wir nie wieder etwas gehört.“ Das bestätigt Pressemann Ingolf Ulrich in Dresden. „Bisher konnte der Widerspruch noch nicht bearbeitet werden, da diesem noch eine Vielzahl anderer Verfahren in der Bearbeitung vorgehen.“

Ein Fall von völliger Überlastung der Widerspruchsbehörde?  Was nutzt die Bearbeitung eines Widerspruchs, wenn dieser sich nach einem halben Jahr am Faktischen erübrigt hat? Diese Fragen treiben die Siedler vom Bautzner Berg ebenso um, wie die ihnen jetzt mitgeteilten Bauplanänderungen. So soll der Wirtschaftshof wegfallen, dafür doch ein Wendehammer und zusätzliche Parkplätze entstehen. Wo? Die Landesdirektion verweist darauf, dass „in erster Linie“ der Landkreis für das Bauvorhaben zuständig sei.