Merken

Eine ganz dumme Sache

Drei junge Männer lügen eine Richterin an, um einen Kumpel zu entlasten. Das bringt sie nun selbst in Meißen vor Gericht. Und bleibt dennoch nahezu folgenlos.

Teilen
Folgen

Von Jürgen Müller

Dieser Garagenkomplex in Coswig ist damals bekannt und auch berüchtigt. Er ist nicht nur ein Treffpunkt von Jugendlichen, sondern auch der rechtsextremen Szene. Regelmäßig wird die Polizei gerufen. So ist es auch diesmal, als eine Baustelleneinrichtung demoliert wurde. Beim Eintreffen wird die Polizei schon mit „Sieg-Heil“-Rufen und Hitlergruß empfangen. Als die Beamten die Personalien feststellen wollen, bedrängt sie ein Jugendlicher, stellt sich ihnen in den Weg, weist einen anderen Jugendlichen an, den Ausweis nicht abzugeben. Die Beamten sprechen Platzverweise aus und nehmen den Querulanten mit aufs Revier. Im Streifenwagen wird er ausfällig, beschimpft und beleidigt die Polizisten. Sie seien nicht ganz dicht, soll er unter anderem gesagt haben. Er muss sich wegen Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. In der damaligen Verhandlung werden auch seine Kumpels als Zeugen gehört. Die wollen ihren Kumpan entlasten, lügen wie gedruckt. Pech für sie: Der Angeklagte hatte zuvor schon die Taten im Grunde eingeräumt. Einer der drei wird damals von Jugendrichterin Ute Wehner vereidigt. Die Staatsanwältin kündigte an, dass sie die drei wegen uneidlicher Falschaussage und Meineids anklagen wird. Gestern nun, gerade mal gut vier Jahre nach dieser Verhandlung, finden sich die drei Männer auf der Anklagebank wieder. Die Mühlen der Justiz mahlen eben langsam.

Sie geben sich geläutert

Zwei von ihnen müssen sich wegen uneidlicher Falschaussage verantworten. Darauf steht eine Strafe von sechs Monaten an aufwärts. Derjenige, der vereidigt wurde, ist wegen Meineids angeklagt. Ein Verbrechen, das mit einer Mindeststrafe von einem Jahr geahndet wird.

Alle drei geben sich geläutert. „Es war eine dumme Sache, ich habe etwas für einen Kumpel ausgesagt, was nicht stimmte“, räumt einer ein. „Ich dachte, ich könnte einem guten Freund helfen, das war keine gute Idee“, sagt ein anderer.

Dem Mann, der am Verhandlungstag 37 Jahre alt wurde, macht Staatsanwältin Claudia Jentzsch ein Geburtstagsgeschenk. Sie regt an, das Verfahren gegen ihn einzustellen im Hinblick auf eine andere Verurteilung. Der Mann erhielt nämlich im Jahr 2011 wegen Körperverletzung eine Haftstrafe von fünf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Michael Falk stellt das Verfahren gegen ihn tatsächlich ein. Die uneidliche Falschaussage bleibt für den 37-Jährigen damit völlig folgenlos. Denn auch die Bewährungszeit aus dem letzten Urteil ist seit August dieses Jahres abgelaufen. Doch auch die beiden anderen Angeklagten kommen ähnlich ungeschoren davon. Uta Kofahl von der Jugendgerichtshilfe regt an, die heute 25 und 26 Jahre alten Männer nach Jugendstrafrecht zu verurteilen, da sie zur Tatzeit noch keine 21 Jahre alt waren, sie also quasi wie 14-Jährige zu behandeln. Sie spricht von „jugendtypischen Verfehlungen“, von „Gruppendynamik“ und erinnert daran, dass die Taten schon mehr als vier Jahre zurückliegen. Sie möchte, dass das Verfahren auch gegen die verbliebenen Angeklagten eingestellt wird. Es mute schon merkwürdig an, wenn 25 und 26 Jahre alte Männer nach Jugendstrafrecht behandelt würden, räumt die Staatsanwältin ein. „Eine erzieherische Einwirkung, wie im Jugendstrafrecht vorgesehen, ist bei Erwachsenen nicht mehr möglich“, sagt sie. Die Straftaten bezeichnet sie als „Blödsinn“. Auch sie kann sich mit einer Verfahrenseinstellung anfreunden.

Folgen halten sich in Grenzen

Das Jugendschöffengericht aber tut sich damit schwer, berät sich mehr als 20 Minuten. Der Vorsitzende Richter Michael Falk gibt zu bedenken, dass der wegen Meineids Angeklagte zur Tatzeit kurz vor seinem 21. Geburtstag stand. Das ist die Höchstgrenze, um einen Erwachsenen noch nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. Würde er nach Erwachsenenstrafrecht behandelt, wäre eine Verfahrenseinstellung gar nicht möglich, weil es sich bei Meineid um ein Verbrechen handelt. „Es sind gewichtige Dinge, um die es hier geht. Das kann nicht völlig folgenlos bleiben“, so der Richter.

Die Folgen halten sich für die verbliebenen Angeklagten allerdings in engen Grenzen. Das Verfahren gegen die beiden Männer wird zwar ohne Auflagen eingestellt, jedoch müssen sie ihre eigenen Auslagen, also die Kosten für den Verteidiger, selbst zahlen. So kommen sie mit weniger als einem blauen Auge davon. Wären sie nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, wäre die Strafe deutlich höher ausgefallen als für den Kumpel, für den sie damals gelogen hatten. Der bekam nämlich lediglich Jugendarrest aufgebrummt, musste also für ein Wochenende in Haft und gerade mal eine Geldauflage von 300 Euro zahlen.