Merken

Eine Frage des Vertrauens

Die drei Elefantendamen hören auf jedes Kommando. Das ist ihr Training für den Umzug ins neue Afrikahaus im Dresdner Zoo.

Teilen
Folgen
NEU!
© René Meinig

Von Juliane Richter

Geduldig lässt Sawu die schmerzvolle Prozedur über sich ergehen. Ruhig steht die Elefantendame direkt am Gitter des Geheges, während Revierleiter Ronny Moche mit einer Nadel in ihre linke Kopfseite sticht und mit einer antiseptischen Lösung das Gewebe spült. Sawu hat dort vom Liegen eine entzündete Schwiele. Über Wochen haben ihre Pfleger die Stelle behandelt, den eitrigen Abszess geöffnet und immer wieder gespült.

... erhält sie zur Bestätigung das Klicker-Geräusch und Leckereien.
... erhält sie zur Bestätigung das Klicker-Geräusch und Leckereien. © René Meinig
Leon Kühn kontrolliert indes die Stoßzahntaschen. Zum Medizincheck gehört auch die Fußpflege mit einem scharfen Messer.
Leon Kühn kontrolliert indes die Stoßzahntaschen. Zum Medizincheck gehört auch die Fußpflege mit einem scharfen Messer. © René Meinig

Nur weil Sawu seit Jahren auf die Kommandos der Pfleger trainiert ist, klappt die problemlose Behandlung durch die Gitterstäbe hindurch. Bis vor zwei Jahren gab es in solchen Fällen keine Gitterstäbe. Die Pfleger standen direkt am Tier, ungeschützt, wie es heißt. Doch dieser direkte Kontakt ist nicht mehr erlaubt. Die Anlagen im neuen Afrikahaus, das nun spätestens im Mai eröffnet werden soll, sehen ausschließlich den geschützten Kontakt vor – Pfleger und Tier sind dauerhaft durch massive Gitter getrennt. Deshalb wurden auch die Boxen in der großen Containerhalle, in der die drei Elefanten während der Bauzeit leben, angepasst. So wurden an die Gitter Querträger in verschiedenen Höhen geschweißt, damit die Tiere ihre Füße darauf abstellen können. Aber der Umbau allein reicht nicht. Sowohl die Tiere, als auch die Pfleger müssen sich auf den neuen Umgang einlassen und ihn gemeinsam trainieren. Denn die Gitter stellen nicht nur einen größeren Schutz dar, sondern können genauso hinderlich sein.

Täglich trainieren Ronny Moche und seine drei Kollegen deshalb für optimale Abläufe den geschützten Kontakt. Der basiert auf drei wesentlichen Elementen: klaren, englischen Kommandos, einem Klickgeräusch und einer Belohnung. Dabei gilt, dass das Training jeden Tag anders abläuft. Routinen dürfen sich nicht einschleichen. „Das führt zu Unachtsamkeit“, sagt der 37-jährige Moche. Die kann trotz schützender Gitter gefährlich werden. Der Elefantenrüssel reicht weit, kann zupacken oder umwerfen – mit einer Kraft, der der menschliche Körper wenig entgegenzusetzen hat.

Die Elefantenpfleger sind erfahren, wissen die Mimik ihrer drei Damen zu deuten und können ihre Stimmung lesen. Zwei Pfleger trainieren stets gemeinsam mit dem Tier. So wird Drumbo als Erste in die Box gelockt. Am Gitter wartet ein „Schlaraffenland“ auf sie, wie Moche den Mix aus Äpfeln, Möhren und Brötchen nennt. Futter und Spaß an der Sache sind Anreiz genug. Die Arbeit beginnt damit, dass Pfleger Rainer Kraut ein kurzes, englisches Kommando sagt und zwei Stöcke in die Höhe hält. Sawu muss sich so am Geländer positionieren, dass sie mit dem Kopf und dem Hinterteil jeweils einen Stock, auf dessen Ende zum Schutz ein Tennisball gespickt ist, berührt. Setzt sie das Kommando erfolgreich um, bedient Rainer Kraut den Klicker. Das kleine Gerät gibt per Knopfdruck das akustische Geräusch eines Klicks wieder. „Der Klicker ist eindeutig, egal wer ihn bedient“, sagt Moche. Nach dem Klicker gibt es wieder eine Futterbelohnung. Damit werden die Elefanten bei Laune gehalten, während Pfleger Leon Kühn Drumbo mit einem Wasserschlauch abspritzt und anschließend die Haut schrubbt.

Je nach Kommando legt sich Drumbo direkt am Gitter hin, stellt rückwärts einen Fuß auf eine Querstrebe, oder berührt mit dem Hinterteil das Gitter. Damit ermöglicht sie den Pflegern Zugang zu empfindlichen Stellen. Rund um den Schwanz können Verletzungen auftreten. Bei Erkrankungen müssen die Pfleger zudem rektal Temperatur messen oder sogar den Mastdarm ausräumen. Außerdem strecken die Elefanten auf Kommando bereitwillig das Ohr durch die Gitterstäbe und klappen es auf. Pfleger Leon Kühn klopft von hinten dagegen, sucht eine Vene und spritzt Desinfektionsmittel darauf. Alles nur zum Test, damit er bei einer Erkrankung an dieser Stelle Blut abnehmen kann.

„Durch das Training kennen die Elefanten auch das Geräusch und den Geruch des Sprays und erschrecken im Ernstfall nicht“, erklärt der 20-Jährige später. Nötig war das bisher kaum. Die drei Damen erfreuen sich bester Gesundheit, wie Revierleiter Moche sagt. Nur Sawu hat gerade ein Fußproblem. Im rechten Vorderfuß hat sich im Fußnagel ein Riss gebildet. Moche kürzt mit einem extrem scharfen Messer das Horn rundherum so, dass der Riss Stück für Stück herauswächst. Weil die unempfindliche Hornschicht sehr dünn ist, braucht es viel Erfahrung. Schneidet Moche zu tief, hat Sawu Schmerzen und folgt dem Kommando womöglich nicht mehr. Bisher klappt aber alles einwandfrei. Moche ist zufrieden und denkt, dass der geschützte Kontakt auch im neuen Haus reibungslos funktionieren wird. Damit können Tiere und Pfleger entspannt die neue Umgebung kennenlernen.