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Eine Frage der Haltung

Die Coswiger Artisten kämpfen im Juni um einen besonderen Pokal. Und wollen zuvor ein großes Sommerfest feiern.

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© Arvid Müller

Von Ines Scholze-Luft

Coswig. Die rhythmische Musik gönnt den beiden keine Pause. Sechs Minuten lang Hebungen, Figuren im Gleichgewicht. Das Duo Frame wirkt perfekt mit seiner Adagiokraftakrobatik. Nur wer ganz dicht dabei steht, hört eine Art Klicken, das die nächste Figur ankündigt. Und dass das Atmen schwerer wird.

Mit ihrer Show wollen sie jetzt einen begehrten Pokal holen. Schlangenmädchen Emilia Strech (15) kam durch Schwester Florentine zum Verein, trainiert dort seit acht Jahren.
Mit ihrer Show wollen sie jetzt einen begehrten Pokal holen. Schlangenmädchen Emilia Strech (15) kam durch Schwester Florentine zum Verein, trainiert dort seit acht Jahren. © Arvid Müller

Was Tobias Nicolaus und Anthony Sträche da gerade im Trainingsraum der Coswiger Artistenschule Coswig Artists zeigen, soll ihnen in Kürze in Wernigerode zum Sieg verhelfen. Wenn es um den Harzer Showkristall geht. Der wird seit zehn Jahren an junge Künstler vergeben, dreimal schon nach Coswig. Diesmal sind von 300 angemeldeten Darbietungen acht im Finale. Auch Tobias und Anthony.

Marcella Renner-Seliger sagt das sichtlich stolz. Sie führt die Arbeit ihrer Eltern weiter, gemeinsam mit Mann Peter Renner und Tochter Anne Seliger. Brigitte und René Seliger haben die Artistenschule 1970 gegründet. Als Kinder- und Jugendensemble. Erzieherin Brigitte Seliger will ihre Hortkinder sinnvoll beschäftigen. Artistik liegt nahe, war doch die gebürtige Dresdnerin oft im Zirkus Sarrasani Elefanten füttern, lernte bei der berühmten Tänzerin und Tanzpädagogin Mary Wigman. Arbeitete selbst als Schlangenmensch, am Trapez, als Trainerin. Und ist sich mit ihrem Mann einig: Die Kinder sollen was Ordentliches machen in ihrer Freizeit, Sachsens Artistik-Tradition soll nicht verkümmern. Erst trainieren sie in der Schule, später in der Börse, bis zu 80 Kinder sind dabei.

Für ihre Leistungen gibt es viele Preise. Das Fernsehen wird aufmerksam. Entertainer Heinz Quermann. Und Sportmoderator Adi. Wenn sie ihn heute treffen, liegen sie sich immer noch in den Armen, sagt Marcella Renner-Seliger. Die Coswiger fahren zum Nachwuchsfestival nach Frankreich. Holen beim Zirkusfestival in Wiesbaden einen silbernen Elefanten, arbeiten mit bei der internationalen Contorsion Convention, der Schlangenmenschen-Messe. Sind bei ZDF und RTL. Eine Erfolgsgeschichte. Tobias Nicolaus und Anthony Sträche – beste Freunde seit dem Kindergarten – wollen sie fortsetzen. Wie die anderen 35 Vereinsmitglieder.

Trainerin Marcella tritt hinzu, beobachtet aufmerksam jeden Handgriff, jede Drehung, jeden Fußwechsel. Anerkennendes Nicken. Ohne Fleiß kein Preis. Aber haben Studenten nicht Dringenderes zu tun? Lächeln. Den beiden 20-Jährigen geht es um die Balance. In Artistik und Alltag. Ums Gleichgewicht zwischen Hobby sowie Studium und künftigem Beruf. Tobias studiert Umwelttechnik in Riesa, Anthony BWL in Freiberg, jeweils im 6. Semester.

Wie findet sich da Zeit zum Trainieren? Drei-, viermal die Woche arbeitet jeder für sich, an der Kraft beispielsweise. Das Zusammenspiel steht am Wochenende im Plan. Eine Frage der Einstellung, sagt Tobias. Wir tun bewusst was für unsere Ziele. Haltungsfragen sind auch den Trainern wichtig. Selbstdisziplin, Konzentrationsvermögen, Selbstvertrauen, Kreativität, Konfliktfähigkeit, Körperwahrnehmung – da unterscheiden sich Amateure nicht von Profis. Die werden hier allerdings nicht ausgebildet. Deshalb jetzt der Zusatz Coswig Artists im Namen der Coswiger Artistenschule. Nicht zu verwechseln mit der staatlichen Schule in Berlin. Was jedoch mancher annahm und entsprechende Leistungen erwartete, heißt es vom Verein.

Nein, Profis werden sie wohl nicht mehr, sind sich die jungen Männer vom Duo Frame sicher. Nicht zuletzt deshalb, weil sie erst spät zur Artistik kamen. Vor dreieinhalb Jahren, durch einen hier aktiven Freund. Neben der körperlichen und ästhetischen Ausbildung schätzen sie die Athmospäre im Verein. So sehr, dass sie das den eigenen Kindern empfehlen würden.

Vorstand Peter Renner: Die Werte, die im Verein vermittelt werden, finden sich in der Gesellschaft kaum noch. Da gibt es oft keine Autoritäten mehr, keine Konsequenzen, hier schon. Wie wichtig das ist, spüren die Trainer nicht nur am Durchhalten und Erfolg des Einzelnen, sondern ebenso, wenn ehemalige Mitglieder vorbeischauen.

Sicher auch zum Sommerfest am 11. Juni in der Spitzgrundmühle. Ein solches Fest gibt es zum ersten Mal, sagt Peter Renner. Damit die Familien sehen, was ihre Kinder gelernt haben und deren Ausstrahlung auf der Bühne erleben. Der Verein wertet das als Generalprobe für 2018. Dann feiert er seinen 25. Geburtstag in der Villa Teresa.

Natürlich hoffen die Artisten, durch solche Darbietungen noch bekannter zu werden. Obwohl sie schon so manche Veranstaltung bereichern, auch privat gebucht werden können und die Trainer ihr Wissen in Projekten wie mit dem Kreuzchor und im Ganztagsunterricht weiter geben.

Immer willkommen im Verein ist Nachwuchs. Der sich dann, wenn er wie das Duo Frame dranbleibt an seinen Zielen, über den Beifall bei Auftritten freuen kann. Oder sogar über einen Pokal. Wie Tobias Nicolaus und Anthony Sträche ihn am 18. Juni nach Coswig holen wollen.

www.coska.de