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Eine fast vergessene Figurengruppe

Im Fundus des Weißenberger Museums gibt es eine Holzplastik von Hugo Spieler. Sein Urenkel erklärt jetzt, was es mit den Figuren auf sich hat.

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© Carmen Schumann

Von Carmen Schumann

Weißenberg. Die Besucher des Vortrags von Lutz Spieler im Weißenberger Rathaus sind nun um einiges klüger, was jene Holzplastik betrifft, die seit 1961 nahezu unbeachtet im Fundus des Museums „Alte Pfefferküchlerei“ ihr Dasein fristete. Der Bautzener Bauingenieur ist nämlich der Urenkel des Schöpfers der Plastik, Hugo Spieler. Dieser war ein sehr vielseitiger Künstler, der jene Figurengruppe im Jahr 1919, drei Jahre vor seinem Tod, schnitzte. Der Referent konnte den Gästen nunmehr auch erklären, was die Plastik darstellen soll. Es handelt sich dabei nämlich um Studenten, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Geld für Notleidende sammelten. Der Künstler hatte diese Plastik aus Lindenholz seinem Enkel Dr. Hubert Spieler geschenkt, der 1924 eine Stelle als Tierarzt in Weißenberg angetreten hatte. Hubert Spieler wiederum vermachte sie im Jahr 1961 der Stadt.

Trachtenpuppen auß Meissener Porzellan

Lutz Spieler, der in Bautzen bei der Bauaufsicht beschäftigt ist, hat sich sehr intensiv mit seiner Familiengeschichte auseinandergesetzt. Sein mit zahlreichen Bildern versehener Vortrag war daher sehr fundiert und aufschlussreich. Was die Leistungen seines Urgroßvaters Hugo Spieler betrifft, so ist für die hiesige Region von besonderer Bedeutung, dass er der Schöpfer der einzigen sorbischen Trachtenfiguren aus Meissener Porzellan ist. Er schuf sie anlässlich der Kunstgewerbeausstellung 1896 in Dresden. Bei dem Volkstrachtenfest, das im Rahmen dieser Ausstellung stattfand, waren unter den rund 2 000 Teilnehmern auch 1 200 Trachtenträger sorbischer Nationalität. Die Trachtenfigurenserie, zu der unter anderem eine sorbische Kirchgängerin und ein Hochzeitsbitter gehören, war dann auch 1900 bei der Pariser Weltausstellung zu sehen. Wie Lutz Spieler anmerkte, erhielt sein Urgroßvater als Gegenleistung für die Gestaltung der Porzellanfiguren Geschirr aus Meißner Porzellan. Lutz Spieler hat zudem herausgefunden, dass die Trachtengruppe im Jahr 1995 auf einer Ausstellung in Japan zu sehen war.

Absolvent der Kunstgewerbeschule München

Hugo Spieler, der 1854 in Berlin geboren wurde, verlor seinen Vater schon vor seiner Geburt. Er absolvierte eine Lehre zum Holzschnitzer und musste als Geselle Gardinenringe schnitzen. Seine künstlerischen Ambitionen konnte er beim Besuch eines Lehrgangs zum Modellieren mit Stuckgips schon besser ausleben. 1875 gelang es ihm, ein fünfjähriges Studium an der Kunstgewerbeschule in München aufzunehmen, das er mit ausgezeichneten Leistungen abschloss. Ab 1885 war er dann Lehrer an der Königlich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Dresden, wo er seine Schüler im figürlichen Modellieren unterrichtete. Zu seinen Schülern gehörte auch der Bautzener Bildhauer und Grafiker Hanns Petschke, der die Büsten von Oskar Roesger, Friedrich Karl Gustav Stieber und Otto Weigang schuf, die im Foyer des Museums Bautzen ausgestellt sind.

Anhand von Fotos zeigte Lutz Spieler, dass sein Urgroßvater sich mit seinem Freundeskreis gern in Neukirch zur Sommerfrische aufgehalten hatte. Zu den Freunden gehörte auch der Dresdner Fotograf Emil Römmler, der auch das Familienleben der Spielers dokumentierte. Hugo Spieler hatte seine beiden Töchter schon in jungen Jahren verloren. Für alle seine Kinder schnitzte er Engelsfiguren. Spuren seiner künstlerischen Tätigkeit hinterließ er aber auch auf Friedhöfen mit Porträt-Medaillons auf Grabsteinen. Der Künstler selbst, der auch Mitglied der Freimaurerloge Dresden war, starb 1922 in Dresden.