Von Tina Soltysiak
Waldheim. Das Haus am Niedermarkt 8 in Waldheim hat eine wechselvolle Geschichte. 1771 wird es erstmals erwähnt als „ein mit fünf Bieren brauberechtigtes Haus“ des Postmeisters Christian Gottlob Bennewitz. Prominentester Übernachtungsgast war wohl zweifelsohne der französische Kaiser Napoleon. Doch auch für die Wirtschaft war das Haus von großer Bedeutung: 1810 erwarb es Tuchmacher Christian Friedrich Riehle für 1 700 Taler. Das Gebäude fiel einem Brand zum Opfer, wurde jedoch ein Jahr später wieder aufgebaut. „Heute repräsentiert unser neuer Stadt- und Museumshaus im Wesentlichen den Zustand um 1861“, erläuterte Museumsleiterin Katja Treppschuh während der feierlichen Einweihung am Wochenende.
Bis 1954 war das Gebäude im Besitz einer Seitenlinie der Familie Riehle. „Meine Großmutter hat das Unternehmen bis dato geführt. Der Betrieb wurde zu DDR-Zeiten in den organisierten Konkurs geführt, die Familie somit zwangsenteignet“, erzählte Gerhard Dietl. Er ist einer der Riehle-Nachfahren, die sich am Freitag während eines Empfangs für geladene Gäste in dem aufwendig sanierten Haus umgeschaut haben. Im Dachgeschoss kommt es zu einem Familientreffen. Er und sein Sohn Holger sind aus Stuttgart beziehungsweise Halle angereist, Gisela Göhler, geborene Riehle, aus Dresden. Nicht ganz so weit hatten es Uta und Bettina Böhme. Sie leben gemeinsam in Waldheim in einem Riehle-Haus am Obermarkt. Zusammen schaute sich die Verwandtschaft die Schau an. „Meine Großmutter ist in diesem Haus geboren. Ich kenne es zwar nicht mehr als Wohnhaus, finde aber toll, was daraus geworden ist“, sagte Seniorin Uta Böhme.
„Aus Waldheim in die Welt“ lautet das Motto der Schau im Dachgeschoss. Die Präsentationsform in Gestalt übergroßer Schrankkoffer findet Bettina Böhme sehr gelungen. Insgesamt fünf solcher Koffer stehen auf dem Dachboden, der zum Teil im Originalzustand erhalten geblieben ist. Doch nur der zum Tuchmacherhandwerk ist geöffnet. „Die übrigen geben ihr Innenleben im Abstand von etwa sechs Monaten preis“, erläuterte Museumsleiterin Katja Treppschuh die Intension. Sie widmen sich thematisch unter anderem dem Prozess von der Erfindung der Zahnseife hin zur Marke Florena, der Justizvollzugsanstalt, der Industrialisierung in Waldheim sowie dem Leben und Wirken von Gelehrten und Künstlern mit Waldheimer Wurzeln.
Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Einem berühmten Waldheimer Künstler hingegen wird im ersten Stockwerk eine eigene Etage gewidmet: dem Bildhauer Georg Kolbe nämlich. „Im Zentrum der Ausstellung steht, wie auch in Kolbes Schaffen, der Akt. Er orientiere sich an den Figuren des modernen Tanzes, um die Bandbreite menschlicher Ausdrucksformen abzubilden“, erklärte die Kuratorin Verena Schneider. Gemeinsam mit der Stadt und dem Einrichtungsbüro Helmstedt/Schnirch/Rom sei die Entscheidung getroffen worden, lieber weniger Stücke zu zeigen, diese jedoch effektvoll zu präsentieren. „Um einige Figuren, wie den kleinen Ruf der Erde beispielsweise, muss man im Kreis gehen, um sie in all ihrer Schönheit, Feinheit und Detailgenauigkeit der Bewegungsabbildung wahrnehmen zu können“, begründete Verena Schneider.
Am Eröffnungswochenende haben sich 195 Besucher das neue Museum angesehen. „Hinzu kommen die etwa 100 geladenen Gäste von Freitagabend. Damit sind wir zufrieden“, sagte Katja Treppschuh am Sonntag auf DA-Nachfrage.