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Eine Elbetour auf Fichtenholz

Eine Gruppe aus Meißen erinnert an ein altes Handwerk. Die SZ war mit an Bord.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Landkreis. Beim Ablegen wird es hektisch. „Rainer, hier drückt’s ordentlich“, sagt einer der Männer, die am Heck des Floßes an den Rudern stehen. Rainer Pflugbeil weiß, was das heißt: „Wir gehen schon raus. Steuerbord!“ Im Gleichschlag machen sich die acht Leute an den Rudern daran, den schwimmenden Untersatz vom Ufer wegzudrücken, hinein in Richtung Fahrrinne. Pflugbeil ist sozusagen der Kapitän, er gibt die Kommandos. „Hinten stopp, vorne mal kräftig steuerbord!“ Nach wenigen Minuten ist es geschafft: Das Floß liegt jetzt mittig in der Elbe. Den Rest übernimmt die Strömung. Mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Stundenkilometern geht es voran. Nächster Halt: Strehla.

Auf Baumstämmen den Fluss entlang – diese nicht ganz alltägliche Reise macht die Flößermannschaft Meißen einmal im Jahr. Streng genommen sind es zwei Trips, erklärt Uwe Meinel, einer der Organisatoren. Die Fichtenstämme stammen aus der Sächsischen Schweiz. Dort werden sie im Frühjahr von den Flößern zusammengebunden, anschließend mit den Aufbauten vernagelt und um die Pfingstzeit bis nach Meißen gebracht. „Im September geht es dann weiter bis Mühlberg“, erklärt Meinel.

Ursprünglich sei die jährliche Reise auf dem Holzfloß von der Tischler-Innung Meißen ins Leben gerufen worden. „1999 gab es einen ersten Versuch.“ Hilfe holten sich die Tischler damals von einer Flößermannschaft aus Thüringen. Schließlich habe damals niemand genau gewusst, wie so ein Projekt anzugehen sei. Heute stammen die Mitfahrenden nicht mehr nur aus diesem Handwerksbereich. Uwe Meinel erzählt, er sei über einen Bekannten zu dem Projekt gestoßen, habe sich anschließend immer mehr in die Materie vertieft.

Lesestoff zur Geschichte der Flößerei gibt es zuhauf. Das Flößen hat eine lange Tradition. Schließlich waren Flüsse wie die Elbe wichtige Transportwege, vor allem vor Erfindung der Eisenbahn. Bis ins 20. Jahrhundert wurden die schweren Baumstämme zusammengebunden und dann stromabwärts gebracht. „Im Lauf der Zeit wurden die Flöße immer länger und breiter“, erzählt Uwe Meinel. Für den Schiffbau in Holland wurden Baumstämme auf mehreren Hundert Metern miteinander verbunden und dann den Rhein entlang transportiert.

Verglichen damit ist das Meißner Floß ein Zwerg – wenn auch ein sehr komfortabler. Von einer Kochplatte bis zur Zapfanlage ist alles dabei. Es sei tatsächlich mit den Jahren luxuriöser geworden, sagt Uwe Meinel. So ganz gefällt ihm das offenbar nicht. Man müsse schon aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Die historischen Flößer jedenfalls hatten keine Aufbauten, die am Zielort angekommen einfach auseinandergeschraubt und bei der nächsten Fahrt wiederverwendet werden konnten.

„Selbst die Baumstämme waren mit dünnerem Holz zusammengebunden. Das quoll im Wasser auf und hielt das Floß so zusammen.“ Am Ziel wurden die Stämme verkauft, die Zweige nutzten die Flößer als Brennholz für den Rückweg. Den legten sie meist zu Fuß zurück, so Meinel. Schon wegen der rechtlichen Hürden ist heute vieles anders. Auf dem Floß sind zwei Außenbordmotoren angebracht, um im Notfall schneller vorwärts zu kommen. Statt dünner Zweige halten Stahlseile die Stämme zusammen. Und in jedem Jahr muss das Schifffahrtsamt dem Gefährt die Freigabe erteilen. Übertriebenen Luxus gibt es allerdings nicht.

Als nach einer reichlichen Stunde bei Lorenzkirch dicke Regentropfen vom Himmel prasseln, hilft den Flößern nur der Griff zu Schirm und Regenjacke. Bei heftigeren Schauern spanne man ein kleines Dach, erklärt Meinel. Aber der Boden ist dann trotzdem nass. Und bei heftigem Wind wird es anstrengend, weil die Mannschaft das Floß mit den Paddeln in der Fahrrinne halten muss.

Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt nach Strehla, gegen 18 Uhr kommt die Anlegestelle in Sicht. Ein letztes Mal an diesem Abend ruft Rainer Pflugbeil Kommandos. Das Anlegen erfordert noch einmal Konzentration, damit das Floß nicht auf Grund läuft. Ständig messen die Flößer mit einem Stab die Wassertiefe. Nach wenigen Minuten liegt die Planke zum Ufer aus. Die Mannschaft wirft die Kochplatte an. Ein Teil der Besatzung wird auf dem Floß übernachten, der Rest in einer nahe gelegenen Pension.

Am nächsten Tag soll es nach Mühlberg weitergehen. Dort werden die Flößer das Holz an ein Sägewerk verkaufen, wie die historischen Vorbilder. In der Vergangenheit habe es mal Überlegungen gegeben, das Flößerholz zu vermarkten, erzählt Uwe Meinel. Aber bei 30 Festmetern lohne sich das nicht. Die Nachfrage wäre wohl da: Der Dachstuhl von Schloss Taubenheim sei mit dem Flößerholz restauriert worden. Der Besitzer hatte sich das so gewünscht. Die lange Lagerung im Wasser sei nicht schlecht für das Holz, im Gegenteil: Sie macht die Stämme haltbarer und entzieht Schädlingen im Holz die Lebensgrundlage.