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Eindringling in der Sparte

Nur mithilfe der Enkelin hat Ulrich Tschepe herausgefunden, wie die Pflanze heißt. Ihre Beeren sind giftig.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Eigentlich findet er sie ganz hübsch, doch ganz geheuer ist sie ihm auch nicht: Die Rede ist von einer Pflanze, die Ulrich Tschepe in seiner Kleingartensparte „Zur Erholung“ Altweida entdeckt hat. Um herausfinden, wie das Gewächs heißt, musste der 72-Jährige erst einmal seine Enkelin konsultieren. „Die ist pfiffig, was Computer angeht. Im Internet hat sie herausgefunden, dass die Pflanze Kermesbeere heißt und eigentlich gar nicht hier hergehört. Sie stammt aus Amerika“, berichtet Ulrich Tschepe.

Die Pflanze, die an einem Gehweg im hinteren Teil der kleinen Gartensparte mit nur 18 Parzellen gedeiht, hat handgroße Blätter und längliche ährenförmige Blütenstände. „Sie blüht weiß. Dann färben sich die Blüten rot und bilden ganz dunkelrote, fast schwarze Beeren mit einem starken Farbstoff“, erklärt der pensionierte Fahrlehrer. Der Saft wurde früher mitunter zum Färben von Wein verwendet. Ludwig XIV., der Sonnenkönig, soll das in Frankreich unter Todesstrafe verboten haben. Von der intensiven Farbe ist auch der Name der Pflanze abgeleitet. Kermes ist der persische Begriff für „rot“.

Doch Dr. Constanze Buhk verwendet lieber den lateinischen Fachbegriff und der lautet: Phytolacca. Die Geoökologin der Universität Koblenz-Landau beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Gewächs. An sich sei der Fund in der Kleingartenanlage nichts Außergewöhnliches. „Es gibt die Kermesbeere auch als Zierpflanze in Gärtnereien zu kaufen.“ Vögel würden dann dafür sorgen, die Samen zu verbreiten. „Die Beeren ziehen Vögel magisch an. Sie sehen ja auch lecker aus. Für Menschen sind die Früchte allerdings giftig, besonders die Samen“, so Constanze Buhk.

Das eigentliche Problem an der Kermespflanze ist jedoch, dass sie sich rasant ausbreiten kann. In Südwest-Deutschland und Teilen von Frankreich ist das genau das passiert. „Die Förster sind völlig verzweifelt.“ Die Pflanze habe sich in den Wäldern massiv ausgebreitet. Dies sei unter anderem auf starke Stürme zurückzuführen. „Die Phytolacca strukturiert den Boden um und richtet so sowohl ökonomischen als auch ökologischen Schaden an“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Natürliche Feinde fehlen

Besonders für die heimische Buche ist die „Phytolacca“ in Baden-Württemberg zu einem echten Problem geworden. In der neuen Heimat fehlen die natürlichen Feinde – noch. So schnell sich „invasive“ Arten ausbreiten können, so schnell können sie auch wieder verschwinden. „Manchmal ist der Spuk auch ganz schnell wieder vorbei“, so Constanze Buhk.

Die Kermespflanze hat allerdings einen großen Vorteil, der gleichzeitig ein großer Nachteil für die Beseitigung der Plage in den südwestdeutschen Wäldern ist: „Die Pflanze kann mit vielen schlechten Bedingungen umgehen und wächst auch in miserablen Böden“, sagt Constanze Buhk. So könne sie zum Beispiel auch an sehr dunklen Plätzen gedeihen.

Um zu verhindern, dass sich die Kermespflanze auch in Sachsen ausbreitet, empfiehlt Buhk, dem Exemplar in der Riesaer Gartensparte von Ulrich Tschepe einfach gleich den Garaus zu machen. „Dafür reicht es allerdings nicht, nur die Pflanze auf Bodenhöhe abzuscheiden. Unter der Erde wächst eine Art Rübe, die muss unbedingt mit entfernt werden“, erklärt sie.

In der Gartenanlage in Altweida wächst die Kermespflanze laut Ulrich Tschepe seit etwa zwei Jahren. So lang keine Kinder durch die Sparte laufen, die die Beeren essen könnten, wollte er sie dort eigentlich auch stehenlassen. Aber vielleicht überlegt er es sich jetzt noch einmal anders.