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Einbrecher führen Polizei zu einem Sexualstraftäter

Hans-Jörg H. steht seit gestern wegen Missbrauchs der eigenen Tochter vor Gericht. Er hat gestanden, das Kind schon als Baby missbraucht zu haben.

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Von Alexander Schneider

Gibt es noch eine Ganovenehre? Oder ergötzen sich die einen Kriminellen daran, dass es andere gibt, die vermeintlich noch viel tiefer auf der Skala des gesellschaftlich Geächteten stehen?

Ganz unten stehen hierzulande Menschen, die sich an Kindern vergehen. Einbrecher aus Freital, die im April vergangenen Jahres bei einem Bruch unerwartet kinderpornografische Dateien erbeutet hatten, zeigten den Bestohlenen anonym an. Im September rückte die Polizei zur Durchsuchung der fraglichen Wohnung aus und stieß auf einen langjährigen Sexualstraftäter. Der Mann wurde verhaftet. Seit gestern muss sich Hans-Jörg H., 60-jähriger Ingenieur aus Freital, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern beziehungsweise Schutzbefohlenen vor dem Landgericht Dresden verantworten. Er soll sich in Dutzenden Fällen vor allem an seiner Tochter vergangen haben, als die noch ein Baby war. Immer wenn er bei ihr in Thailand zu Besuch war. Dem Angeklagten droht eine langjährige Freiheitsstrafe.

Staatsanwalt Silvio Helmert listete 89 einzelne Fälle zwischen Anfang 2009 und Anfang 2012 auf und beschrieb knapp, was der Angeklagte seiner im September 2008 geborenen Tochter angetan hat. Das Baby war bei den ersten Taten kaum vier Monate alt. Die Anklage ist so ausführlich, weil der 60-Jährige sich bei seinen Taten aufgenommen hatte. Meist war auch noch das Datum auf den Fotos eingeblendet. Darüber hinaus soll der Angeklagte auf seinen Computern, Festplatten und Speichermedien Tausende kinderpornografische Dateien gehortet haben. Helmert listete davon jedoch nur 15 exemplarisch auf.

Hans-Jörg H., der schon bei seiner Festnahme die Taten gestanden hatte, räumte gestern die Vorwürfe ein. Was sollte er auch bestreiten, nachdem er selbst für die Beweise gesorgt hatte. Laut wurde Staatsanwalt Helmert jedoch, als der Angeklagte sagte, das Baby habe sich zunächst ihm genähert und nicht umgekehrt. Danach sah sich das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Michael Gerhäuser mit dem Angeklagten jedes einzelne Foto an. Die kinderpornografischen Dateien sind nur schwer zu ertragen, das zeigten schon die Gesichtsausdrücke der beiden Schöffenrichter. Zur Motivation der Taten und seiner sexuellen Neigung will das Gericht H. an einem späteren Tag befragen, wenn eine psychiatrische Gutachterin anwesend ist.

Zuvor hatte der 60-Jährige berichtet, dass er nach seiner zweiten Scheidung eine Frau in Thailand kennengelernt hatte. Dreimal im Jahr sei er für drei Wochen zu ihr gereist, habe sie nach buddhistischem Brauch geheiratet und mit ihrer Großfamilie auf dem Land gelebt. Als Rentner wollte er ganz nach Thailand ziehen. Für einen Vorruhestand sei die Rente zu niedrig, weshalb er weiter bei der Bauaufsicht im Landratsamt Pirna gearbeitet habe. Einen Tag nach seiner Verhaftung war wieder eine Reise geplant. Er habe heiraten wollen.

Die Einbrecher sind bis heute unbekannt. Sie hatten sich übergeben müssen, als sie sahen, welche Dateien sich auf den von ihnen bei H. gestohlenen Festplatten und Speicherkarten befinden, sagte eine Polizistin. Die Beute-Speicher steckten sie mit einem Hinweis auf H. bei der Polizei in den Briefkasten. Monate später fragten sie anonym nach, was aus der Kinderporno-Sache geworden sei. Erst da geriet H. ins Visier der Kripo. Der Prozess wird fortgesetzt.