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Ein zauberhafter Franzose

Matthieu Anatrella hat vor zehn Jahren ganz bewusst Paris gegen Dresden getauscht. Die Sachsen sind ihm ganz nah.

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© Sven Ellger

Von Jana Mundus

Wenn er Münzen verschwinden und kleine Bälle auftauchen lässt, will Matthieu Anatrella den Menschen dabei in die Augen sehen können. Ganz nah sollen sie sitzen, wenn der Zauberer seine Tricks vorführt, ihm bei allem genau auf die Hände schauen. Da bleibt nicht viel Raum für Fehler. „Ich mag diese Herausforderung“, sagt er. „Close up“ heißt diese Kunst, Nahaufnahme. Eigentlich in Paris geboren, lebt der 33-Jährige seit 2004 in Dresden. In seinen Programmen spielt er mit seiner Herkunft und den Vorurteilen, die Deutsche und Franzosen voneinander haben.

Die Leidenschaft für die Zauberei entdeckt er erst als Jugendlicher. Seine Schulklasse verbringt damals zwei Wochen bei einem Zirkus. Die Schüler dürfen mit den Künstlern arbeiten. „Mich hat die Zirkuswelt schon immer fasziniert“, erinnert er sich. Vor allem die Magier hatten es ihm angetan. Während des Schulausflugs lernt er akribisch seinen ersten Kartentrick. „Ein Bekannter erzählte mir dann von einem Laden für Zauberbedarf in Paris.“ Mit 16 betritt er ihn zum ersten Mal und ist sofort gefangen von der Welt der Illusionen.

Ab diesem Moment lernt Anatrella Trick um Trick. Familie und Freunde sind das erste Publikum – aber nicht nur die. „Mein Cousin hatte ein Restaurant bei Paris, dort durfte ich auftreten.“ Der junge Mann merkt schnell: Die Zauberei ist sein Ding. Damit will er später Geld verdienen. Doch er bleibt realistisch, weiß, dass er sich nicht nur auf diesen Traum verlassen kann. Er beginnt in Paris zu studieren, verdient sich Geld mit Auftritten. „Während meine Brüder bei McDonald’s jobbten, konnte ich mir mit meiner Lieblingsbeschäftigung Geld nebenbei verdienen.“

Im Jahr 2003 kommt er zum ersten Mal als Student nach Dresden. Die Stadt fasziniert ihn. Sie verkörpert für ihn das, was er auch bei seinen Auftritten liebt – Nähe. „Paris ist toll, aber leben könnte ich da nicht für immer. Dresden ist kleiner, intimer“, erzählt er von seiner heutigen Heimat. Also tauscht er 2004 die Seine endgültig gegen die Elbe ein. „Nach Frankreich fahre ich heute drei- bis viermal pro Jahr. “

Der Start als Zauberer in Sachsen war allerdings schwer. Es fehlten die Kontakte, um an Auftritte zu kommen. Doch Matthieu Anatrella macht es wie in Frankreich, verlässt sich auf das Solide und arbeitet erst einmal fünf Jahr im Französischen Kulturzentrum. Danach wechselt er als Mitarbeiter in den Fachbereich Internationales des Dresdner Studentenwerks. Dort ist er heute tätig, allerdings nur 30 Stunden pro Woche. „So bleibt genug Zeit für die Zauberei“.

Denn es läuft. Seine Programme hat er in Deutsch einstudiert. Durch die Mitgliedschaft im Magischen Zirkel Dresden, einer Vereinigung für Zauberkünstler, lernte er Kollegen kennen. Viele sind heute zu Freunden geworden. Wenn einer von ihnen einen Auftritt aus Zeitgründen nicht annehmen kann, gibt er ihn an einen Kollegen weiter. „So gut funktioniert das wahrscheinlich nur unter Zauberern“, meint er. Irgendwann kamen immer mehr Anfragen für Familien- oder Firmenfeste. Heute ist er oft mehrmals pro Woche als Magier unterwegs. „Jetzt kann ich endlich sagen, dass ich hauptberuflich Zauberkünstler bin.“

Besonders am Herzen liegen ihm aber die Shows im Zauberschloss Schönfeld und im Kügelgenhaus. In Letzterem tritt er regelmäßig bei der „Close up Night“ auf. Maximal 30 Zuschauer sitzen dort um einen runden Tisch und schauen bei den Tricks ganz genau hin. „Fehler passieren mir zum Glück selten“, sagt er. Wenn sie doch passieren, gäbe es aber ein großes Zauberergebot: „Verrate nie, was du vorhast. So fällt auch niemandem auf, wenn etwas schiefgeht“, fügt er mit einem Lächeln hinzu.

Dass so wenig Fehler passieren, liegt vor allem daran, dass Anatrella auch heute noch viel übt. Ob beim Fernsehabend, im Park oder sogar im Urlaub. „Ich habe ja keine riesigen Requisiten, kann alles immer mitnehmen.“ Leidtragende dieser Situation, da ist er ehrlich, ist allerdings oft seine Lebensgefährtin, mit der er heute in der Neustadt lebt. „Zu der sage ich oft: Schau dir diesen Trick mal an, wie findest du diese Nummer“ Seine Freundin wäre heute eine seiner wichtigsten Kritiker. Doch das sei immens wichtig. Schließlich sitzen ihm irgendwann Fremde gegenüber, die ihn ganz genau beobachten.