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Ein Wunder in vielen Bildern

Ergänzend zur Ausstellung im Görlitzer Kaisertrutz würdigt jetzt auch ein opulentes Buch das Wirken des Millionenspenders.

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© nikolaischmidt.de

Von Frank Seibel

Blau hebt sich das Viadukt vom weißen Untergrund ab; ein Boot mit Baldachin gibt dem Blick aufs Neißetal eine leicht asiatische Anmutung. Über der Szene wölbt sich die rötlich braune Holztäfelung mit blumigen Schwüngen des Jugendstils. So sehen in Görlitz Sahnehäubchen aus.

Solche Geschichten erzählt ein neuer Bildband.
Solche Geschichten erzählt ein neuer Bildband. © nikolaischmidt.de

Fritz Tyschler konnte mit so einem Sahnehäubchen die Sanierung der Hofeinfahrt in seinem Haus in der Bismarckstraße 19 abschließen. Die fünf historischen Stadtansichten, gemalt in Blau auf weißen Fliesen von Villeroy & Boch, gehören zu den schönsten und ungewöhnlichsten Präsentationen von Wohlstand und Wohlbefinden, die unter den vielen reich verzierten Eingangshallen der Görlitzer Altstadt und Innenstadt zu finden sind. Dass Fritz Tyschler diese Pracht jetzt wieder voll zur Geltung bringen konnte, verdankt er einer Förderung aus dem großen Topf der Görlitzer Altstadtstiftung – jener Stiftung, die seit über zwanzig Jahren das Geld verwaltet, das seit 1995 Jahr für Jahr in Portionen von je einer Million D-Mark (später 511 000 Euro) von einem unbekannten Menschen nach Görlitz überwiesen wurde. Seit Juni erzählt eine viel beachtete Ausstellung im Kaisertrutz die Geschichten, die mit diesem märchenhaften Millionenspender verknüpft sind. Seit diesem Dienstag erinnert nun ein opulenter Bildband an „Das Wunder der Görlitzer Altstadtmillion“. Im Haus von Fritz Tyschler wurde das 320 Seiten starke Buch offiziell vorgestellt, das von den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur herausgegeben wurde. Denn die spektakulären Fliesen-Bilder sind eines von mehr als 1 200 Beispielen dafür, was das Millionen-Wunder in Görlitz bewirkt hat. Mehr als 30 solcher Bildbände müsste man drucken, um all die kleinen und größeren Schätze zu zeigen, die mit Hilfe der Altstadtmillion bewahrt und aufpoliert werden konnten. Denn nur für 28 Beispiele ist in diesem einen Buch Platz. Fritz Tyschlers Geschichte kommt in diesem Band zwar nicht vor; als das Buch im vorigen Winter bearbeitet wurde, war die Restaurierung noch nicht abgeschlossen.

Aber die Görlitzer Sammlungen haben diesen Ort bewusst für die Buchpremiere ausgewählt, um zu zeigen, dass nicht nur die allseits bekannten Gebäude wie Schönhof, Peterskirche oder Synagoge von der Millionenspende profitiert haben, sondern sehr viele Privathäuser mit zum Teil fast verborgenen Schätzen.

Wie viel Schönheit und Besonderheit in den 4 600 Denkmälern zu entdecken ist, für die Görlitz mittlerweile weltberühmt ist, das ist Jasper von Richthofen bei der Arbeit an diesem Buch noch einmal neu bewusst geworden. So sagte es der Direktor der Görlitzer Sammlungen, der selbst zu den vielen Menschen gehört, die seit 1990 in ein Baudenkmal investiert und über das Notwendige hinaus dabei auch Sahnehäubchen gesetzt haben. So schwärmt der Musseumschef von einem Gartenpavillon an der Ochsenbastei, der mit oberschlesischem Eisenkunstguss gestaltet wurde. Und Bürgermeister Michael Wieler staunte bei der Arbeit an dem Buch, dass auch eine Straßenbahn ein echter Schatz sein kann – wenn sie über 130 Jahre alt und aus Holz ist und von einem Pferd gezogen wurde.

Mit vielen groß- und kleinformatigen Bildern, farbig und in historischem Schwarzweiß, erzählen 28 Foto-Essays von solchen besonderen Kleinoden und lassen via Fragebogen auch die Besitzer zu Wort kommen. Diese Sammlung bildet den Kern des Bildbandes, der vom Monumente-Verlag der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sehr ästhetisch gestaltet wurde. Die redaktionelle Arbeit an dem Buch teilten sich mehr als ein Dutzend Mitarbeiter der Görlitzer Sammlungen und der Stadtverwaltung, betonte Bürgermeister Wieler.

Vier Essays von Fachautoren beleuchten den thematischen Hintergrund dieser ungewöhnlichen Görlitzer Geschichte. So reflektiert der stellvertretende Direktor der sächsischen Kulturstiftung, Manuel Frey, „Die Kunst des Schenkens“, und der Ethnologe Robert Lorenz sieht in Görlitz „Eine Stadt als Märchen“. Das Märchenhafte der Görlitzer Altstadtmillion soll in diesem Buch deutlich werden, betonte Jasper von Richthofen. So steht am Beginn ein „märchenhafter Prolog“. Dort heißt es: „So ging es von Jahr zu Jahr, bis ein weithin bekannter Mann aussprach, was doch jeder längst sah: die alte Stadt sei wieder die schönste im ganzen Land!“

„Das Wunder der Görlitzer Altstadtmillion“, 320 Seiten kostet 28 Euro. Erhältlich im Museum und im Buchhandel.