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Ein Winter, wie er früher einmal war

Schnee in den Straßen, Eishochwasser, Spaß und Kälteleid – Eine Reise zurück zwischen Radeburg und Radebeul.

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© Arvid Müller,

Von Nina Schirmer

Radebeul/Landkreis. Fast drei Meter ragt der Schneemann in die Höhe, den Kinder in der Radebeuler Alfred-Naumann-Straße gekugelt haben. Die Erbauer müssen auf eine Leiter steigen, um ihrem frostigen Kunstwerk den schwarzen Hut aufzusetzen. Sogar in die Zeitung schafft es der Riesenschneemann. Damals, im Winter 1987.

Über den Albertplatz fuhren die Schüler mit Schlitten zu Schule.
Über den Albertplatz fuhren die Schüler mit Schlitten zu Schule. © Stadtarchiv Radebeul
Arbeiter aus Betrieben wurden im Winter 1963 beauftragt, auf der Bahnhofstraße Schnee zu schippen.
Arbeiter aus Betrieben wurden im Winter 1963 beauftragt, auf der Bahnhofstraße Schnee zu schippen. © Stadtarchiv Radebeul
1965 wurden die Schneemassen von den Radebeuler Straßen auf die Festwiese nach Kötzschenbroda gefahren.
1965 wurden die Schneemassen von den Radebeuler Straßen auf die Festwiese nach Kötzschenbroda gefahren. © Stadtarchiv Radebeul

Schon im alten Jahr hatte es kräftig geschneit. Zu Heiligabend 1986 lagen knapp 30 Zentimeter Schnee. Weiße Weihnachten. Alle Jahre wieder träumen wir davon. Doch unterm Baum sitzen und den Flocken beim Vom-Himmel-Rieseln zugucken, war in den letzten 56 Jahren im Elbland eher die Ausnahme. Die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen: Meistens gab es zu Weihnachten nass-kaltes Schmuddelwetter. Nur 13-mal lag an der Messstation in Dresden-Klotzsche richtig Schnee, zuletzt 2010 immerhin acht Zentimeter.

Die Erinnerung an weiße Wintertage sind trotzdem bei vielen noch präsent. Und im Radebeuler Stadtarchiv finden sich interessante, komische und auch dramatische Geschichten zu den Wintern in der Region. Im schon erwähnten Frost 1986/87 brachte der viele Schnee nicht nur Spaß für die Kinder, sondern auch Widrigkeiten mit sich. In der Radebeuler Ernst-Thälmann-Straße kam es Mitte Januar zu einem Rohrbruch. Das ausströmende Wasser vereiste sofort und Arbeiter der VEB Wasserversorgung mussten anrücken, um die Eisschicht abzuhacken. „Rohrnetzbrigade trotzt klirrender Kälte“, titelte die Sächsische Zeitung.

Schüler der Oberschulen wurden vom 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung dazu verpflichtet, Kohlen in die Keller älterer Menschen zu tragen. Denn viele Haushalte hatten zusätzliche Kohlelieferungen bekommen, die nur vor den Häusern abgeschüttet wurden. In Radeburg musste eine Kinderkrippe wegen der Kälte schließen. In Radebeul rief der Rat der Stadt zu einer „umsichtigen und vorbildlichen Schneeberäumung“ der Fußwege in der Zeitung auf.

Richtig kalt war es auch zu Weihnachten 1961. Damals fiel das Thermometer bis auf minus 13 Grad. Zwei Jahre später, am 24. Dezember 1963, waren es sogar minus 14 Grad. Zuletzt gab es in der Region zweistellige Minusgrade zu Weihnachten im Jahr 1996.

In den letzten sechs Jahren herrschten dagegen immer Plusgrade zu Heiligabend. 2012 wurden sogar 13 Grad Höchsttemperatur gemessen. Wärmer war es nur Weihnachten 1977, als das Thermometer 14 Grad zeigte.

Die richtige Kälte kam, wenn dann meist im neuen Jahr. Besonders schlimm im Jahr 1845, als sie vielen Elblandbewohnern zum Verhängnis wurde. Am 20. Februar fror die Elbe komplett zu, für mehrere Wochen. Als es Ende März wieder wärmer wurde, begann der Schnee zu tauen, doch das Eis auf der Elbe verhinderte den Abfluss der Wassermassen. In Meißen stauten sich die Schollen an der Altstadtbrücke. Die Stadt wurde überflutet. Auch in Radebeul, Coswig und Riesa gab es große Überschwemmungen. Eishochwasser hat es in den vergangenen Jahrhunderten in der Region häufiger gegeben.

Zuletzt richtig durchgefroren war die Elbe im Februar 1963. Zu DDR-Zeiten wurde Eisgang seltener, weil eingeleitete Chemikalien und Abwässer die Wassertemperatur erhöhten. Heutzutage werden geschlossene Eisdecken durch Eisbrecher aufgebrochen, um einen Rückstau des Wassers zu verhindern.

Ein richtiger Winter, wovon manch einer heute wieder träumt, war in vergangenen Zeiten für die Bewohner des Elblands ein hartes Los. In den Kötzschenbrodaer Geschichten wird von einem besonders harten Winter im Jahr 1210 berichtet, „darinnen Leute, Obstbäume und Weinberge erfroren“, steht in einer historischen Quelle. 1670 und 1679 sollen in der Region Tausende wilde Tiere erfroren und auf der Suche nach Schutz sogar bis in die Häuser der Menschen gekommen sein.

Im Winter 1729 fror die Elbe dreimal zu. 1740 sollen auch erfrorene Menschen auf den Straßen gelegen haben. Am 28. Februar 1785 wurden im Elbtal 25 Grad Kälte gemessen. Doch im Archiv finden sich auch freudigere Winteranekdoten. So soll es zwar im Jahr 1205 so kalt gewesen sein, dass das Bier in den Kellern gefror. Doch die Leute wussten sich zu helfen und verkauften es stückchenweise als Eis. In der jüngeren Vergangenheit erfreuten Schnee und Eis vor allem die Jüngsten. Ein Foto von 1927 zeigt, wie Kinder sich über den zugefrorenen Albertplatz in Radebeul mit dem Schlitten zur Schule ziehen. 1963 wurde vorm Haus der Jungen Pioniere auf einer Spritzeisbahn Schlittschuh gelaufen.

Richtige Winterfans sind seit jeher auch die Radebeuler Winterschwimmer. Sie gehen baden, egal bei welcher Temperatur. Auch im Februar 1987 tauchten sie im Lößnitzbad ab, bei minus zehn Grad Außentemperatur.