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Ein Wiedersehen mit der Klemm-35

Christian Löhr flog vor 50 Jahren mit einer Maschine wie die des Fliegenden Museums in Großenhain. Damals geschah Schreckliches.

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© Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Sie ist Rot-Weiß und die jüngere Schwester jener Flugmaschine, die diesen Sommer nach einem Fliegenden Wochenende auf dem Flugplatz abstürzte: die Klemm-35. Ungefähr 2.000 Flugzeuge dieses Typs wurden ab 1939 gebaut, zehn existieren weltweit noch. Eine davon im Museum Koch.

Für den 78-jährigen Christian Löhr hat die Klemm-35 eine ganz besondere Bedeutung. Er war am Wochenende mit seiner Frau Karin und dem Wohnmobil in Großenhain, um das Flugzeug erneut als Co-Pilot zu fliegen. Das tat er schon einmal vor genau 50 Jahren. Sein Freund Horst Walterhöfer, ein Luftbildfotograf, besaß damals eine Klemm-35 und war der Pilot. „Wir flogen in der offenen Maschine über die Alpen nach Colmar in Frankreich zur internationalen Wein-Rallye“, erinnert sich Christian Löhr, und das Herz geht ihm dabei auf.

Auf dem Weg nach Großenhain hatte der Braunschweiger „Vorfreude auf den Flug in die Vergangenheit“, wie er sagt. Schöne Stunden hätte er mit seinem Freund damals in den 60ern in dem „Vogel“ erlebt. Acht-Millimeter-Schmalfilme drehte der Braunschweiger zu der Zeit vor 50 Jahren. Die Klemm sei damals sogar mit Funk ausgerüstet gewesen. Nur drei solcher Maschinen hätte es 1964 noch in Deutschland gegeben. Heute ist die Klemm des Fliegenden Museums die Einzige.

Modellflugzeug im Treppenhaus

Dazu trug auch ein tragischer Unglücksfall bei: Ein Jahr nach dem Flug nach Colmar machte sich Luftbildfotograf Walterhöfer erneut dorthin auf – doch nicht mehr mit seinem Freund aus Braunschweig, sondern mit seiner Verlobten Regina. „Ich ließ ihr den Vortritt“, blickt Christian Löhr zurück und sein Gesichtsausdruck wird ernst.

Denn Regina und Horst überlebten den Flug nicht. Sie stürzten schon beim Start in nur 40 Meter Höhe ab. Solch ein tragischer Tod hätte also auch ihn selbst treffen können, erzählt der Braunschweiger. Dennoch hat ihn das Gefühl, mit einem offenen Flugzeug in die Lüfte zu gehen, seit dem ersten Mal nicht mehr losgelassen.

Christian Löhr baute Flugmodelle, um seine Begeisterung und gleichzeitige Bestürzung zu verarbeiten. Ein Modell der Klemm-35 mit der Spannweite von 1,40 Metern hatte er bereits seinem Freund Horst vor dem tragischen Absturz geschenkt. Ein Zweites baute er für sich. „Es hängt noch heute bei mir im Treppenhaus“, sagt der Braunschweiger.

In Linköping, Schweden, entdeckte Christian Löhr zufällig eine weitere Klemm-35. Denn die seines Freundes war nach dem Absturz nicht wieder aufgebaut worden. „Sie stand im Flugzeugmuseum, war aber nicht flugtauglich“, berichtet der 78-Jährige. Es packte ihn aber doch, noch einmal mit einer solchen Maschine in die Lüfte zu gehen.

1993 dann die Überraschung: In der ADAC-Zeitung entdeckt Löhr das Sportflugzeug in Augsburg. Das Fliegende Museum Josef Koch befand sich zu der Zeit dort. „Mit Brigitte Koch vereinbarte ich damals einen Flugtermin als Co-Pilot“, so Löhr. Doch das Wetter an jenem 25. September 1993 spielte nicht mit. Es war kein „Klemm-Wetter“, es regnete in Strömen. Brigitte Koch sagte den Flug ab. „Aber der Traum von damals ist unauslöschlich, ich werde ihn weiter träumen“, schwor sich Christian Löhr. Ein zweiter Anlauf in Augsburg bei Brigitte Koch scheiterte. Der Braunschweiger: „Ein Neuankauf aus Russland, eine Militärmaschine, hatte dem Ehepaar Koch das Genick gebrochen. Sie hatten die Maschine mit voller militärischer Bestückung angeliefert bekommen. Hohe Strafen drohten.“ Damals zogen die Kochs nach England.

Den Elly-Beinhorn-Film gesehen

Doch sie kamen 1999 zurück nach Deutschland. Und dann wurde hier auch in Großenhain der Film über Elly Beinhorn gedreht – die Frau, die mit einer Klemm-25 die Welt umrundete. Christian Löhr sah den Film und wusste nun, wo eine Klemm 35 steht. Ein neuer Flugtermin bei Brigitte Koch in Großenhain wurde vereinbart. Er sollte am Sonnabend stattfinden.

Doch wieder machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Die Löhrs waren fast umsonst nach Großenhain gekommen. Allerdings durfte der Braunschweiger sich mal in die Klemm setzen und an ihrer Kurbel drehen. Und es blieb ihm nur die Erinnerung an einen Flug mit freier Sicht nach allen Seiten. Es wird ihm möglicherweise nicht mehr vergönnt sein, mit dem einstigen Schulungsflieger der deutschen Luftwaffe noch einmal mitzufliegen.

Selbst zu fliegen, das hat der Braunschweiger nie gewagt. „Aber ich durfte oben, unter den Wolken, das Flugzeug steuern und in der Luft halten“, erinnert er sich an seinen Flug vor 50 Jahren nach Colmar. „Diese Freiheit beeindruckte mich.“ In Erinnerung bleibt, wie er den „Vogel“ aus dem Hangar zog, auf dem Rollfeld betankte und dann an der Kurbel drehte ...