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Ein Unfall, sieben Knochenbrüche

In Moritzburg war ein Motorradfahrer mit zwei Quads kollidiert. Das hatte nicht nur für den Fahrer Folgen – sondern beschäftigt nun auch das Gericht.

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© Rolf Ullmann

Von Jürgen Müller

Moritzburg. Wer einem anderen drauffährt, ist schuld. Das ist eine weit verbreitete Meinung, und sie hat in der Regel auch ihre Berechtigung. Schließlich muss jeder seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er im Gefahrenfall rechtzeitig bremsen kann.

Draufgefahren auf zwei Quads ist im April vor zwei Jahren in Moritzburg auch ein Motorradfahrer. Er wurde bei dem Unfall schwer verletzt, hatte sieben Brüche im linken Arm und brach sich das linke Sprunggelenk. Doch nicht er saß gestern auf der Anklagebank des Meißner Amtsgerichtes, sondern die 30 und 40 Jahre alten Quadfahrer aus Coswig und Weinböhla. Fahrlässige Körperverletzung wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor, verhängte Strafbefehle über jeweils 450 Euro. Doch die beiden Quadfahrer legten Einspruch ein.

Laut Staatsanwaltschaft wollten sie auf der Staatsstraße in Moritzburg Richtung Weinböhla nach links auf einen Parkplatz abbiegen. Dabei hätten sie den Motorradfahrer übersehen, der sie gerade überholte und dann mit den Quads kollidierte. Doch die beiden Männer akzeptieren das nicht. „Wir haben angehalten, den Blinker nach links gesetzt, 15 bis 20 Sekunden gestanden, um den Gegenverkehr vorbeizulassen. Dann sah ich in den Spiegel, es kam nichts. Als ich anfuhr, gab es plötzlich einen lauten Knall“, sagt einer der beiden.

Keine Bremslichter, keine Blinker

Der Geschädigte ist als Zeuge geladen und streitet das ab. Er sei mit etwa 100 Kilometer pro Stunde gefahren, so viel, wie dort erlaubt sei. Die Quads seien von einem Feldweg gekommen und relativ langsam gefahren. Er habe weder Bremslichter gesehen, noch seien die Blinker gesetzt gewesen. Die beiden seien völlig überraschend abgebogen, sagt der 35-jährige Coswiger. Es stimme auch nicht, dass es Gegenverkehr gab. „Dann hätte ich doch nicht überholen können“, sagt er. Viel Erfahrung mit dem Motorradfahren hat der Mann allerdings nicht. Erst seit zwei Jahren hat er einen Führerschein und eine Maschine. Seit dem schweren Unfall hat er das Motorradfahren aufgegeben. Ein Zeuge, ein Kumpel der Angeklagten, hingegen sagt aus, dass die Blinker gesetzt wurden. Dabei konnte er das wohl gar nicht sehen, denn der Parkplatz ist etwa drei Meter tiefer als die Straße und die Sicht zudem von einer Leitplanke verdeckt. Richterin Ute Wehner deutet schon während der Beweisaufnahme an, dass sie die Angeklagten verurteilten wird. Sie rät, den Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Doch Verteidigerin Kristin Reichel will Freispruch, begründet das ausführlich, obwohl es noch gar keine Plädoyers gibt. Staatsanwältin Yvonne Birke entgegnet – was den anderen Verteidiger Jürgen G. Schäfer mächtig aufregt. „Was passiert jetzt hier eigentlich? Ist das ein vorweggenommenes Urteil, sind das schon die Plädoyers oder ist das jetzt ein Rechtsgespräch?“, fragt er in die Runde.

Nach einer Pause und einem längeren Gespräch mit den Mandanten lehnen die Verteidiger es ab, das Verfahren wie von der Richterin angeboten wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage einzustellen. „Ich kann meinem Mandanten nicht empfehlen, der Einfachheit halber das Verfahren so zu beenden. Es geht ihm nicht um Geld, er fühlt sich unschuldig“, sagt Anwalt Schäfer. Doch offenbar ist es für die Anwälte auch eine finanzielle Frage. Bei einem Freispruch zahlt die Staatskasse deren Kosten, bei einer Einstellung gegen eine Geldauflage müssen die Angeklagten, die als Selbstständige nach eigenen Angaben zwischen 600 und 1 000 Euro verdienen, löhnen. Nun soll ein Gutachten klären, ob der Zeuge den Unfall überhaupt sehen konnte. Bis das fertig ist, wird eine Weile ins Land gehen. Das Verfahren muss dann völlig von vorn beginnen, alle Zeugen müssen noch einmal gehört werden. Ob es besser wird für die Angeklagten, darf bezweifelt werden. Denn wer nach links abbiegen will, muss in den Rückspiegel schauen, ob er überholt wird. Das haben die beiden offenbar nicht oder nicht ausreichend gemacht, sonst hätten sie den Motorradfahrer sehen müssen. Eine Mitschuld werden sie sich anrechnen lassen müssen. Egal ob sie geblinkt haben oder nicht.