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Ein Traum lernt Fliegen

Sechs Jahre lang hat Matthias Dörfler an einer Legende im Maßstab 1:3 gebaut. Jetzt hebt sie ab.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Die letzten Kontrollen vor dem Abflug: Surrend bewegen sich die Höhenruder des Doppeldeckers, hin und her schwingt das Seitenruder. Alles planmäßig. Matthias Dörfler, die Fernbedienung um den Hals, tritt zurück. Nun gilt es! Mit kräftigem Schwung dreht er den Propeller. Einmal, zweimal, dreimal. Dann lässt der Zweizylindermotor zum ersten Mal einzelne Zündungen hören. Beim nächsten Versuch läuft endlich der Motor, erst ungleichmäßig, dann immer gleichmäßiger.

Matthias Dörfler gibt dem Motor noch Zeit zum Aufwärmen. Nur nicht ausgehen jetzt! Schließlich soll der 130-Kubikzentimeter-Viertakter auf dem Segelflugplatz Canitz gleich eine Last von 23 Kilogramm in die Luft bringen. Die Konstruktion aus Sperrholz und Metall bringt es auf drei Meter Spannweite. Noch zittern die Grashalme unter den Tragflächen nur. Dann gibt der 62-Jährige Gas. Der Motor heult auf. Das Gras wird vom Wind des Propellers in die Waagerechte gedrückt. Nun rollt er, der Albatros mit den Eisernen Kreuzen auf Rumpf, Tragflächen, Seitenleitwerk.

Sechs Jahre hat der Elektro-Ingenieur gebraucht, ein Jagdflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg originalgetreu nachzubauen. Der hölzerne Propeller, der seidene Pilotenschal, die stählerne Verspannung: Alles sieht aus wie vor 100 Jahren – nur zwei Nummern kleiner, im Maßstab 1:3. „Ich habe unzählige Arbeitsstunden dran gesessen“, sagt der Riesaer. Einen Bausatz gab es nur für die hölzernen Rumpfteile. „Den Rest habe ich mir aus dem Baumarkt und dem Internet zusammengesucht.“

Flugverhalten wie vor 100 Jahren

Jetzt biegt die Konstruktion auf die Startbahn des Modellflugclubs Riesa ein, die parallel zu derjenigen der großen Nachbarn vom Segelfliegerclub verläuft. Immer schneller wird der Miniatur-Jagdflieger, das Heck hebt sich vom Boden, die Vorderräder machen erste Sprünge. „Das Flugverhalten ist wie beim originalen Vorbild“, wird der Mann am Steuer später sagen. „Die Physik ist dieselbe.“ Jetzt allerdings hat er nur Augen für sein Modell: Da steckt Material für mehrere Tausend Euro drin, von der jahrelangen Arbeit ganz zu schweigen.

Modelle dieser Größenordnung sind nur für erfahrene Bauer etwas: Seine ersten Modelle baute Matthias Dörfler als 14-Jähriger, einfache DDR-Holzflieger waren das. Dann kam das Studium, der Hausbau – erst nach der Wende fand der 62-Jährige zurück zum Modellfliegen. „Dann gab es plötzlich alles zu kaufen.“ Die Auswahl heute ist unüberschaubar – vom Oldtimer bis zum Düsenjäger, vom Hubschrauber bis zum Airbus.

Der Traum von Matthias Dörfler aber war der Albatros, Modell D V. „Allein die Optik: So einen tropfenförmigen Rumpf hat sonst kaum ein Flugzeug“, sagt der Riesaer. Bei der Bemalung hat er sich nach dem Vorbild einer bayrischen Jagdstaffel entschieden. Auch wenn damals die verrücktesten Varianten flogen. Jeder Pilot malte 1917 sein Exemplar so an, wie er wollte – der Albatros der Fliegerlegende Manfred von Richthofen war knallrot, der von Ernst Udet schwarz, es gab Exemplare in lila, rot-grün oder mit blau-weißen Streifen. – Nun hat es der Riesaer Albatros geschafft: Er hebt ab! In elegantem Bogen zieht er gen Himmel. Der Pilot am Boden legt den Kopf in den Nacken. Der Motor röhrt, während der Doppeldecker in 50 Meter Höhe eine enge Kurve beschreibt und auf die Beobachter zufliegt. Wie war denn damals der allererste Start? „Da habe ich mich gar nicht getraut. Da ist der Hersteller des Holz-Bausatzes selber geflogen.“ Schwerpunkt, Trimmung, Motorleistung – es gab einfach zu viele Unwägbarkeiten. Dann aber zeigte sich: Der Albatros kann’s! „Er fliegt sich wunderbar.“

Wer das Modell und Dutzende andere am Himmel über dem Flugplatz Canitz erleben will, hat dazu am Wochenende Gelegenheit: Der Modellflugclub Riesa lädt zur großen Flugschau ein – am 25. und 26. Juni jeweils 10 bis 17 Uhr.

Jeweils ab 13 Uhr ist Flugschau. Es gibt Tipps, Vorführungen, eine Hüpfburg und Essen und Trinken. Eintritt: Erwachsene 2 Euro, Kinder (bis 14 Jahre) 1 Euro.