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Ein Thronsaal für Ödernitz

Mike Hilge aus Stannewisch will den ehemaligen Gerichtskretscham im Nieskyer Ortsteil Ödernitz zu einem Erlebnisrestaurant umbauen.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Noch wirken Mike Hilge und seine Familie ein wenig verloren in dem großen Saal in Ödernitz. Seit Jahren schon ist im ehemaligen Gerichtskretscham nicht mehr gespeist oder getanzt worden. Doch dem Unternehmer aus Stannewisch fehlt es weder an Fantasie noch an Zuversicht. Bereits ab diesem Sommer sollen auf der Bühne des Saals regelmäßig Mittelalterbands auftreten. Im kommenden Jahr will Mike Hilge das altehrwürdige Parkett dann in einen Thronsaal verwandeln. Mit rotem Teppich, goldenem Stuck und natürlich einem Thron. Bisher fällt in dem verwaisten Saal vor allen Dingen die Hantelbank ins Auge, welcher ein Mieter in einer Ecke abgestellt hat. Auch Mike Hilge wird in den kommenden Wochen und Monaten viel Kraft aufbringen müssen, um alle seine Pläne zu stemmen.

Der Saal steht dabei gar nicht an erster Stelle. Um sein Schlemmerstübchen im Sommer zu eröffnen, will Mike Hilge erst einmal das Erdgeschoss umgestalten. Zwei große Gasträume will er renovieren und dekorieren. Der größere soll an eine Rüstkammer erinnern. Dank Fellen, Helmen und Morgensternen sollen sich die Gäste im Mittelalter wähnen. Der kleinere Raum ist den „durchgeknallten Wikingern“ gewidmet und werde entsprechend gestaltet, erklärt der Unternehmer.

Gerade ist er auf der Suche nach einem Gartenlandschaftsbauer, um auch das angrenzende Außengelände an sein Konzept anzupassen, das auch einen Biergarten mit Feuerstelle vorsieht. Auf Dekoration und Design legt Mike Hilge viel Wert. Darum sollen die Gäste in seinem Restaurant auch konsequent in historischen Gewändern bedient werden.

Wird das Konzept gut angenommen, will Mike Hilge im kommenden Jahr noch mehr investieren und vom Kulissenbauer Designgroup aus Böhlen bei Leipzig eine eigene Erlebniswelt entwerfen lassen. „Sie haben Lust, mir zu helfen“, sagt der gelernte Schauspieler. Doch seine Frau und er wollen sich finanziell nicht übernehmen und daher Schritt für Schritt vorgehen. „An Dekoration haben wir Gott sei Dank alles da“, erzählt Mike Hilge. Er betreibt bereits einen Versandhandel für Mittelalterzubehör und schenkt außerdem als Bruder Tuck auf Mittelaltermärkten schon lange Honigwein aus und serviert Gegrilltes.

Das eigene Restaurant ist für den fliegenden Händler Neuland. Dass die mehr als 400 Quadratmeter womöglich eine Nummer zu groß sind, befürchtet er nicht. „Natürlich hätte das Lokal gerne kleiner sein können. Aber mit dem Saal ist das eine tolle Sache“, sagt er. Denn dort sollen nun regelmäßig Mittelalterbands auftreten.

Noch in diesem Jahr könnten die Gruppen Harpyie und Metusa in Ödernitz auf der Bühne stehen. Unter der Woche will Mike Hilge den Saal lokalen Bands und Theatergruppen nach Absprache als Proberaum zur Verfügung stellen und so auch dem Ort etwas zurückgeben. In Ödernitz, wo viele der geschlossenen Gaststätte seit Jahren nachtrauern, dürften sich viele darüber freuen, dass in dem Gasthaus nun wieder öffentliches Leben einzieht.

Dass das Haus überhaupt noch genutzt werden kann, ist der Verdienst von Besitzer Kurt Mai. Der Unternehmer aus dem Ruhrpott hat nach der Wende viel Geld in das Haus investiert, in dem er aufgewachsen ist. „Ich konnte es nicht einfach wegtun“, sagt der 79-Jährige. Seine Eltern haben den ehemaligen Gerichtskretscham 1933 ersteigert. Nachdem der Vater den Zweiten Weltkrieg aber nicht überlebt, baut Kurt Mais Mutter das Haus im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf.

Denn der Teil des Gebäudes, wo sich einst das Schlachthaus befunden hat, ist im Krieg durch einen Bombentreffer beschädigt worden. Je nach Lebensmittellage wird im ehemaligen Gerichtskretscham Fleisch oder Fisch verkauft. Doch die Schikanen in der DDR setzen Kurt Mais Mutter zu. Und 1959 folgt sie ihrem Sohn, der nach seiner Lehre in Görlitz in den Westen gegangen ist.

Kurt Mai, der 25 Jahre selbstständiger Metzger gewesen ist, reist noch heute ein bis zweimal im Jahr nach Ödernitz. Nachdem 2009 der letzte Pächter des Lindengartens aufgehört hat, hofft er nun auf Mike Hilge. „Mal schauen, wie sich das entwickelt. Für den Ort ist es angebracht“, sagt der Senior. Die Einliegerwohnung im oberen Geschoss ist schon seit dreieinhalb Jahren vermietet. Mit dem neuen Restaurant wäre das gesamte Gebäude wieder genutzt.

Die Ausrüstung für ihre neue Großküche haben der neue Pächter und seine Frau schon zusammen. Auch um Servicekräfte machen sich beide keine Sorgen. Nur ein Küchenchef oder eine Küchenchefin fehlt ihnen noch. „Mal abwarten“, sagt Mike Hilge. Bei Radio Lausitz wird die Stelle im Mai als Job der Woche beworben. Aber er hätte sicher nichts dagegen, schon vorher einen geeigneten Bewerber zu finden.

Vor allen Dingen für Fleisch sollte der oder die Neue ein gutes Händchen haben. Denn im Mittelalterrestaurant gibt es erwartungsgemäß deftige Kost. So stehen unter anderem mehrere Stunden lang gegarte Spareribs auf der Speisekarte. „Man muss aber auch mit der Zeit gehen“, sagt Mike Hilge hinsichtlich der Gerichte. Sein Schlemmerstübchen soll eine gute Mischung aus Kneipe und Restaurant werden, sagt er. Willkommen sei jeder, ganz gleich ob Arbeitsmonteur oder Krawattenträger.