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Ein Stück Niesky in Stuttgart

Eine Ausstellung im Nieskyer Wachsmannhaus kündet seit Freitagabend von einem bemerkenswerten Bauwerk.

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© Rolf Ullmann

Von Rolf Ullmann

Niesky. Was verbindet die schwäbische Metropole Stuttgart mit der Kleinstadt Niesky und warum nimmt eine rüstige, ältere Dame mit einem Großteil ihrer Familie am Freitag den weiten Weg nach Niederschlesien auf sich? In der Antwort auf diese beiden Fragen verbinden sich die großen Traditionen des industriellen Holzhausbaus in Niesky mit einer Siedlung voller architektonischer Kleinode von Weltgeltung und dem persönlichen Schicksal eines Architekten sowie die zweier Besitzer eines bemerkenswerten Holzhauses in der Schwabenmetropole. Wo könnte eine Ausstellung über das Wirken eines Architekten und einer Schöpfung besser in Niesky erfolgen als im Wachsmannhaus?

Das Bild zeigt das Haus Stuttgart Degerloch beziehungsweise das Haus Dr. Felix Schottlaender in der Ausstellung im Wachsmannhaus Niesky.
Das Bild zeigt das Haus Stuttgart Degerloch beziehungsweise das Haus Dr. Felix Schottlaender in der Ausstellung im Wachsmannhaus Niesky. © Repro: Rolf Ullmann

Unter dem Thema „Zwei vergessene Planer im Umfeld der Weißenhofsiedlung – Hans und Hilde Zimmermann“ stellt eine neue Ausstellung im Obergeschoss des Wachsmanhauses die Leistungen von Hans Zimmermann als Architekt sowie seiner Schwester Hilde als Schöpferin der Vorläufer moderner Einbauküchen in den Mittelpunkt. Der Freundeskreis Hans und Hilde Zimmermann erarbeitete diese Ausstellung und stellte diese der Öffentlichkeit in der Werkstatt des Museums in der Weißenhofsiedlung vor. Bei der Sichtung des Materials rückte ein Gebäude und seine Geschichte immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit aller am Projekt Beteiligten. Seine Geschichte begann vor 92 Jahren, als Dr. Felix Schottlaender ein Grundstück in Stuttgart-Degerloch kaufte. Als gebürtiger Baltendeutscher wollte er unbedingt ein Haus ganz aus Holz haben. Denn in den strengen Wintern hatte er selbst die Vorzüge dieser Bauweise kennengelernt. Die Planung und der Bau waren durch das Ringen des Bauherren um möglichst geringe Baukosten gekennzeichnet. Alle Rechnungen und Schreiben blieben als einzigartige Belege der Nachwelt dank der Sorgfalt von Hedwig Schottlaender erhalten.

Das Haus Stuttgart-Degerloch entwickelte sich wenige Zeit nach seiner Einweihung durch die Einrichtung einer psychoanalytischen Praxis zu einem viel besuchten Ort in diesem Stuttgarter Stadtteil. Daran änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nichts. Manche Besucher und Spaziergänger nahmen die geradlinige und schnörkellose äußere Gestalt des Hauses mit Verwunderung auf. Sie gaben ihm deshalb auch den Spitznamen „Käseschachtel“. Margrit Timme, die heutige alleinige Bewohnerin des Hauses, erinnert sich noch immer an ihren ersten Besuch. „Ich spürte sofort die ganz besondere Atmosphäre, die das Gebäude mit seiner zweckmäßigen Einrichtung ausstrahlte. Damit wir hier aber mit der Familie einziehen konnten, musste uns die Besitzerin mögen.“ Dieser Glücksfall trat dann auch ein. Voller Hochachtung, Dankbarkeit und viel menschlicher Wärme spricht Margrit Timme von Hedwig Schottlaender. „Sie hat uns geholfen, wo sie nur konnte, war bei uns Besuch angemeldet, polierte sie das Tafelsilber, war ich von der Gartenarbeit erschöpft, kochte sie mir Tee“. Um das Andenken von Dr. Felix Schottlaender zu ehren, trägt das Haus heute seinen Namen .