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Ein Stück heile Welt

Die Bautzener Herrenteichsiedlung wird 80 Jahre alt. Die Anwohner feiern am Sonnabend das Jubiläum – und ihr besonderes Wohngebiet.

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© Uwe Soeder

Marleen Hollenbach

Bautzen. Zwei, die sich gut verstehen. Jürgen Siebold und Thomas Baumann können sich aufeinander verlassen. Wenn der eine etwas braucht, dann hilft der andere aus. Wenn der eine ein Problem hat, dann hört der andere zu. Was sie verbindet, ist der Wohnort. Beide haben ein Haus in der Bautzener Herrenteichsiedlung gekauft. Jürgen Siebold wohnt hier seit 20 Jahren, Thomas Baumann kam mit seiner Familie vor elf Jahren hierher. Und noch etwas haben sie gemein. Die zwei Männer legen Wert darauf, mit den Nachbarn in der Gemeinschaft zu leben. Nicht nur nebeneinander her, sondern miteinander. Deshalb engagieren sie sich im Verein der Siedlerfreunde Herrenteich. Und eben weil ihnen das Zusammenleben so wichtig ist, haben sie mitgeholfen, einen Ort zu errichten, an dem die Anwohner sich treffen können.

Ein Bild aus der Gründerzeit. Im Jahr 1935 entstand die Herrenteichsiedlung in Bautzen. Die 88 Doppelhäuser stehen heute noch. Doch ihre Optik hat sich stark verändert.
Ein Bild aus der Gründerzeit. Im Jahr 1935 entstand die Herrenteichsiedlung in Bautzen. Die 88 Doppelhäuser stehen heute noch. Doch ihre Optik hat sich stark verändert. © Archivfoto: Verein

Erste Häuser 1935 bezogen

Jetzt stehen sie dort. Ein Vereinshaus mit Feierraum und Zapfanlage, eine Holzhütte mit Küche, eine Festwiese. Die Bautzener können durchatmen. Die Biertische stehen, das Zelt ist aufgebaut. Die Gäste können kommen. Jedes Jahr veranstaltet der Verein ein Kinder- und Sommerfest. Doch in diesem Jahr haben sich die Vereinsmitglieder besonders viel Mühe gegeben. Schließlich feiert die Herrenteichsiedlung am Sonnabend und Sonntag ihren 80. Geburtstag.

„Im Jahr 1935 haben die ersten Siedler hier ihre Häuser bezogen“, erklärt Vereinsvorsitzender Thomas Baumann. Sie bauten sich Haus für Haus die Siedlung im Bautzener Westen auf, wo zuvor nur Äcker und Obstplantagen waren. Den namensgebenden Herrenteich gab es übrigens schon damals nicht mehr: Der diente in vergangenen Jahrhunderten als Trinkwasserreservoir für Bautzen. Und weil die Ratsherren ihre Karpfen darin halten durften, entstand der Name Herrenteichsiedlung. Bis 1939 bauten die Siedler an dieser Stelle 88 Doppelhäuser. Und genauso viele sind es auch heute noch. Nur die Optik hat sich gewandelt. „Die Häuser waren damals noch recht klein und nicht besonders schön. Doch im Laufe der Zeit wurden fast alle aus- und umgebaut“, erklärt Baumann. Und schon damals gründeten die Siedler eine Gemeinschaft, die bis heute besteht.

200 Gäste erwartet

Heute hat der Verein 110 Mitglieder. „Wir kümmern uns um Nachbarschaftsstreitigkeiten und organisieren Silvesterpartys“, erklärt der Vorsitzende. Doch der Altersdurchschnitt ist sehr hoch. Die Jugend fehlt. Dabei wohnen viele junge Familien in der Siedlung. Die Häuser sind gefragt. Leerstand gibt es nicht. Wenn ein älterer Bewohner nicht mehr im Haus bleiben kann und sich kein Angehöriger findet, der einziehen möchte, dann ist sofort ein Käufer da. „Auf diese Weise kamen in den vergangenen Jahren viele neue Leute hierher“, sagt Baumann.

Doch nur wenige engagieren sich auch im Verein. Was der Grund ist, darüber kann der Vereinsvorsitzende nur spekulieren. „Die meisten sind berufstätig und können oder wollen sich dann die Zeit nicht nehmen“, sagt er nicht ohne Bedauern. Dabei sei diese Form des Miteinanders gerade in der heutigen Zeit ein Schatz, der erhalten bleiben sollte. Ein Stück heile Welt, sozusagen. Thomas Baumann hängt noch schnell die alten Fotos auf und rückt die Bänke zurecht. Immerhin erwartet er am Sonnabend 200 Gäste. Er hofft, dass auch neue Anwohner mitfeiern und so den Verein besser kennenlernen. Erstmals kostet das Fest Eintritt. Zwei Euro pro Person. Vereinsmitglieder dürften allerdings kostenlos rein. „Für die Anwohner soll es ein Anreiz sein, zu uns in den Siedlerverein einzutreten“, sagt der Vorsitzende.