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Ein Stück heile Heimat

Wenn in Dresden der rote Teppich ausgerollt wird, dann kann Wolfgang Stumph nicht weit sein. Genauso wie seine Fans.

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© Ronald Bonß

Von Henry Berndt

Erst mal üben vor dem großen Auftritt. Ein wenig verkrampft sitzt Kai Pflaume im flotten Duo 4/1 und dreht hinter dem Kino ein paar Runden in dem Simson-Klassiker. Der Moderator trägt eine lässige, passend zum Gefährt, braune Lederjacke und sieht immer noch aus wie 30. Das würde nun vom inzwischen 70-jährigen Wolfgang Stumph sicher niemand behaupten wollen, aber dafür hat sich die Hauptperson des Abends richtig fein gemacht. Steht ihm, der Anzug!

Auch Auswanderer Kai Pflaume bekam seinen Auftritt.
Auch Auswanderer Kai Pflaume bekam seinen Auftritt. © René Meinig
Julian und Jessica Scharnhorst sicherten sich ihr Foto mit Stumphi.
Julian und Jessica Scharnhorst sicherten sich ihr Foto mit Stumphi. © René Meinig

Es ist Mittwochabend und Zeit für die exklusive Vorpremiere des Dokumentarfilms „Heimatliebe“, für den sich Wolfgang Stumph in aller Welt auf Spurensuche nach ausgewanderten Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemacht hat. Bevor sein neuer Streifen in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Jana von Rautenberg nun am Sonntag, 20.15 Uhr, im MDR-Fernsehen ausgestrahlt wird, durften SZ-Leser ihn schon jetzt im Ufa-Kristallpalast sehen.

Die Karten waren ruck, zuck weg. Stumhpi ist eben auch 25 Jahre nach dem ersten „Go-Trabi-Go“-Film noch eine große Nummer. Und das nicht etwa nur bei den älteren Generationen. Mehr als eine Stunde vor Beginn der Vorstellung stehen Jessica und Julian Scharnhorst schon vor dem Kino. Er ist 32, sie 30. Um ihrem Idol Stumphi mal ganz nah sein zu können, haben sich die beiden zu Hause in Pirna extra einen Babysitter für ihre drei Kinder organisiert. Noch bevor es losgeht, fotografieren sie sich gegenseitig auf dem roten Teppich. „Was, Kai Pflaume ist auch da?“, fragt Jessica. „Da würde sich meine Mama aber freuen.“ Der Mann, für den in den 90ern nur die Liebe zählte, stammt gebürtig aus Leipzig und floh noch 1989 in den Westen. Heute lebt der 49-Jährige mit seiner Frau im tiefsten Bayern – und war damit für Wolfgang Stumph ein klasse Beispiel für sächsische Auswanderer. Deswegen hat er Pflaume zum Teil seines Films gemacht – und ihn natürlich auch zur Vorpremiere nach Dresden eingeladen. Diese Chance nutzte der Traum aller Schwiegermütter und ließ sich tagsüber schon bei Brockmann und Knoedler die Haare schön machen, wie er auf Facebook verriet. Alles für diesen Auftritt im Duo 4/1, naja, und vielleicht auch für die „Goldene Henne“, die er am Freitag in Leipzig moderiert.

Jetzt ist aber erst mal Zeit für ganz viel Heimatliebe. Knatternd fahren Stumphi und Pflaumi vor dem Kino vor und ernten einen warmen Applaus, allein dafür, dass sie niemanden überrollt haben. „Der ist schon für die Heimfahrt zu bestellen“, ruft Stumphi beim Aussteigen. Kurzes Blitzlichtgewitter, dann zieht es ihn aus der Kälte nach drinnen. Die Gäste folgen, links die VIPs, rechts die Fans. Schnell hat Stumphi ein Glas in der Hand und prostet den Leuten zu. „Habt ihr alle schon was getrunken?“ Ja, haben sie. Jessica und Julian haben sich an der Absperrung vorbei bis zu ihm gemogelt. Jetzt bekommen die beiden auch ihr erhofftes Foto mit ihrem Stumphi. „Habt ihr was gewonnen?“, fragt der verdutzt und dennoch dauerlächelnd. Dann wird er auch schon weiter zum nächsten Fototermin geschoben.

Jessica und Julian dürfen sich jetzt auf den Film freuen. Das 90-minütige Werk beschäftigt sich vor allem mit den Fragen, warum so viele Menschen aus Mitteldeutschland weggegangen sind und was heute noch Heimat für sie bedeutet. Julian Scharnhorst ist selbst als Kind mit seiner Familie aus Dresden nach Nordrhein-Westfalen gezogen. Erst vor zwei Jahren kam er mit seiner Frau und den Kindern zurück nach Sachsen. „Irgendwie ist das hier doch immer meine Heimat geblieben“, sagt er.

Das findet auch Wolfgang Stumph. Nach 15 000 Kilometern kreuz und quer über den Globus, vom Polarkreis, über Kuba bis ins ferne Bayern, sei er am Ende doch froh gewesen, wieder daheeme zu sein. Das wärmt das gebeutelte Sachsenherz.