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Ein Stadtteil wehrt sich

In Löbtau häufen sich rassistische Vorfälle. Schuld daran soll auch ein neuer Klamottenladen sein. Stimmt das?

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© dpa

Von Annechristin Bonß

Erst war es nur ein Gefühl, die Sorge, dass sich etwas verändert hat im Stadtteil. Dann wurde es mehr, wurde größer. Schmierereien an den Hauswänden, Zeichen und Sprüche aus längst vergangenen, dunklen Zeiten, rassistisch und rechts. Hakenkreuze an der Wand, Sticker mit Hetze gegen Ausländer, ein Polizeieinsatz, weil ein Mann den Hitlergruß gezeigt hat. Das Gefühl ist größer geworden, ist zur Angst geworden. Angst, dass sich die rechte Szene in Löbtau ausbreitet. In einem Stadtteil, der nach der Neustadt wie kein anderer in Dresden Familien und junge Menschen anzieht. Studenten suchen sich hier günstige Wohnungen. Sie schätzen die gute Bahnverbindung zum Campus.

Dieser Angst stellen sich nun die Anwohner. Vier Initiativen aus dem Stadtteil haben die AG „Offenes Löbtau“ gegründet. In einem Flugblatt haben sie ihre Sorgen öffentlich gemacht. 5 000 Haushalte haben das Schreiben Ende 2016 bekommen. „Es hat sich etwas verändert in Löbtau“, sagt Jessika Markert von der AG. Sie leitet die SPD im Dresdner Westen und kennt Löbtau gut. Die Aggression gegenüber Ausländern sowie die Zahl der rechten Straftaten haben zugenommen, sagt sie.

Einen Grund dafür sehen die Mitglieder der AG im neuen Geschäft der Modemarke Thor Steinar. Das hat im Mai auf der Kesselsdorfer Straße eröffnet. Kritiker sehen in den Symbolen und Motiven auf der Kleidung ein Erkennungsmerkmal der rechtsextremen und neonazistischen Szene. Das Tragen der Textilien ist unter anderem im Bundestag, aber auch im sächsischen Landtag verboten. In Dresden gibt es damit das zweite Geschäft der Marke. Die Löbtauer befürchten nicht nur, dass dadurch nun rechtes Klientel angezogen wird. Von außen wirkt das Geschäft unscheinbar. Outlet steht in großen Buchstaben an der Fassade. „Wer nicht weiß, was dahintersteht, kauft vielleicht auch ohne entsprechenden Hintergrund“, sagt Lina Addicks, Gründungsmitglied der AG Offenes Löbtau.

Die Frage, warum sich die Betreiber gerade die Kesselsdorfer Straße für den zweiten Laden in Dresden ausgesucht haben, bleibt unbeantwortet. Offiziell sprechen wollen die Inhaber auf SZ-Anfrage nicht. Es sei nicht so einfach, überhaupt Räume für ein solches Geschäft zu bekommen, sagt ein Mitarbeiter am Telefon. Dann verweist er auf den Chef. Der meldet sich nie.

Sorgen macht sich auch Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). Die Politikerin ist Mitglied der AG, sie hat ihr Bürgerbüro in Löbtau. Seit wenigen Monaten kommt es auch hier immer wieder zu Übergriffen. Unbekannte malten stilisierte Tatort-Umrisse vor das Büro, Wutbriefe kamen an, Pegida-Sticker klebten auf der Scheibe, das Schlüsseloch wurde zugeklebt. Für Stange sind dies Zeichen für eine wachsende Gefahr im Stadtteil. „Dass der Thor-Steinar-Laden unbehelligt an einem zentralen Ort seine gewaltverherrlichende Ideologie verbreiten kann, sollte alle Bürger alarmieren“, sagt sie.

Die Polizei bestätigt einen Teil der wahrgenommenen Veränderung. Das Staatsschutzdezernat hat 2016 innerhalb des Polizeireviers Dresden-West 96 Straftaten bearbeitet, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden. Davon waren acht Gewalttaten. Im Jahr zuvor waren es mit 80 rechten Straftaten weniger. Trotzdem: „Innerhalb der Stadt Dresden stellt Löbtau keinen Schwerpunkt für Aktivitäten der rechten Szene dar“, sagt Sprecher Thomas Geithner. „Wir sind natürlich präsent und beobachten die Entwicklungen in allen Stadtteilen. Wir können derzeit aber keine verstärkten Aktivitäten erkennen.“

Jessika Markert will trotzdem handeln. „Es kann natürlich ein subjektives Gefühl sein“, sagt sie. „Unsere Wahrnehmung ist aber, dass sich rechte Straftaten und Übergriffe häufen.“ „Löbtau ist keine Ausnahme, wenn es um die Grenzüberschreitung und rassistische Übergriffe geht“, sagt Eva-Maria Stange. Über die Motive kann sie nur spekulieren. Vielleicht sei es gerade das junge, studentische Löbtau mit seinen sozial engagierten Menschen, das den Rechten ein Dorn im Auge ist.

Die Mitglieder der AG wollen nun auch andere Löbtauer zum Handeln bewegen. Bürgerschaftliches Leben und Engagement sollen wachsen. Ihrem Gefühl der Angst wollen sie etwas entgegensetzen. In einem der nächsten Treffen geht es um Zivilcourage. Auch denken sie darüber nach, einen soziokulturellen Treffpunkt zu installieren.

Am Donnerstagabend treffen sich die Mitglieder der AG Offenes Löbtau ab 19 Uhr im Kino in der Fabrik, Tharandter Straße 33. Interessierte Gäste sind willkommen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

www.nebenan-in-loebtau.jimdo.com