Von Miriam Schönbach
Ihre Konzerte sind weit zu hören. Schließlich müssen die schneeweißen Tiere mit dem auffallend langen gelben Schnabel ihrem Namen alle Ehre machen. Wie liebliches Glockenläuten klingt der melancholische Ruf des Singschwans. Ein wenig erinnert er auch an die Trompetenstöße von Kranichen. Im Heide- und Teichland erklingt der spektakuläre Chorgesang jetzt häufiger. „Der seltene Gast wird in der Oberlausitz heimisch“, sagt Torsten Roch, der Leiter der Biosphärenreservats-Verwaltung. Bis zu 1 000 Vögel haben seine Mitarbeiter gezählt. Die meisten ziehen nach der Rast weiter. Acht Brutpaare aber haben sich dauerhaft an den Gewässern nördlich von Bautzen niedergelassen.
Normalerweise erstreckt sich das Brutgebiet des Singschwans von Island über Skandinavien bis weit hinein in die russische Taiga und Tundra. Experten schätzen den Bestand weltweit auf 180 000 Tiere. Früher machten die Verwandten des heimischen Höckerschwans nur im Herbst einen Zwischenstopp in Deutschland, um in ihre Überwinterungsgebiete Richtung Atlantik weiterzufliegen. Doch auf die kraftanstrengende Tortur verzichten sie immer häufiger. Neben dem Oberlausitzer Biosphärenreservat sind die Vögel häufig im Odertal, im Oderbruch, in der Elbaue, der Havelniederung und in der Prignitz zu entdecken.
Eine Erklärung, warum das so ist, kann Torsten Roch nur versuchen: „Die skandinavischen Heimatgebiete sind sehr gut besetzt, die Bestände erholen sich. Und die Tiere haben gelernt, dass sie in dieser Region Nahrung und Ruhe finden“, sagt der Reservats-Chef. Naturbelassene Wälder, Wiesen und stille Teiche bieten den Wasser liebenden Zugvögeln optimale Bedingungen.
Wer einmal ein kostenloses Singschwan-Konzert erleben möchte, sollte sich im Winter leise in der Dämmerung auf den Weg machen. Da ist zum Beispiel ein beliebter Übernachtungsplatz der weißen Schönlinge. Bis zu 500 Stück kann man dort beobachten, tagsüber findet man sie häufig auf Feldern, manchmal in Gesellschaft von Höckerschwänen. In Gegensatz zum Höckerschwan ist der Singschwan geschützt und darf nicht gejagt werden. Außerdem ist er ein wenig kleiner als sein Pendant. Erkennbar ist Cygnus cygnus überdies am aufrechten Hals, dagegen ist bei Höckerschwänen eine S-Form normal. Die Singschwäne sind leise Gleiter, der Höckerschwan nähert sich im Flug mit einem leicht pfeifenden Geräusch. Und auch bei den Jungtieren gibt es Unterschiede: Junge Singschwäne sind schiefergrau, Höckerschwäne eher bräunlich gefärbt.
Bei unseren Vorfahren galten die schneeweißen Vögel als „Tiere der Reinheit und des Lichts“. Für die Kelten verband sich mit ihnen die Sonne, auch in ägyptischen Pyramiden fand man geschnitzte Schwäne als Grabbeilage.
Doch nicht nur die Singschwäne sind neue Siedler im Heide- und Teichland. „Die Kraniche sind schon lange da und brüten bei uns in stabilen Größen“, sagt Torsten Roch. Auf den Feldern vor der Reservatsverwaltung könne man morgens immer drei Tiere beobachten.
Das Einwanderungsthema ist für die Naturwächter zudem von großer Bedeutung. „Denn so wie wir einerseits neue Arten entdecken, treffen wir andererseits bestimmte Arten immer seltener “, sagt der Leiter der Reservatsverwaltung.
Ein solches Beispiel ist der Weißstorch. „Er ist da, aber er ist unser Sorgenkind“, sagt Torsten Roch. In den 1980er- und 90er- Jahren zählten die Ornithologen noch 30 Brutpaare. Inzwischen gebe es im Heide- und Teichland stabil vier bis fünf Familien. Und augenscheinlich hat sich für die einstigen Dorfbewohner – früher bauten die Störche ihre Nester bevorzugt auf Häusern und Scheunen – nicht so viel geändert. Trotzdem bringt etwas ihren Lebensrhythmus durcheinander. Auch in diesem Fall kann Torsten Roch nur vermuten, was die Gründe dafür sind. Nistmöglichkeiten gibt es genug. „Das Grünland hat sich allerdings verändert.“ Früher mähten die Bauern ihr Gras, so wie sie es brauchten, hinter ihrem Hof auf der Wiese. In diesem Rain fanden die Störche so immer genügend Nahrung. Heute kommt dagegen zweimal im Jahr eine große Mähmaschine.
Auf der kurz geschnittenen Wiese findet der Froschliebhaber dann für den Augenblick ein Überangebot, doch sobald das Gras wieder wächst, fällt ihm die Nahrungssuche schwer. „Deshalb sprechen wir uns im Biosphärenreservat dafür aus, Grünland gestaffelt zu nutzen. Das führt automatisch zu einer Staffelung des Futterangebots“, sagt Torsten Roch. Schließlich gehören nicht nur die neuen Töne der Singschwäne ins Heide- und Teichland, sondern auch das vertraute Klappern der Störche.