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Ein Seelsorger mit Erfahrung

Glashütte hat einen neuen Pfarrer. Er bringt Ideen mit, wie das Gemeindeleben beflügelt werden kann.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Seine erste Fahrt durch Glashütte wird Uwe Liewald nicht vergessen. „In drei Minuten war ich durchgefahren“, sagt er. Er wusste zwar, dass Glashütte eine Kleinstadt ist, doch dass sie so klein ist, ahnte er nicht.

Inzwischen hat er sich das Städtchen genauer angeschaut, ist auf die Höhen gestiegen, hat sich mit der Tallage und den verschlungenen Wegen ein wenig vertraut gemacht. Und eins hat er sich schon fest vorgenommen: „Das Uhrenmuseum werde ich auch besuchen.“ Um die Gegend noch besser kennenzulernen, will er sie erwandern. Schließlich möchte er hier ein paar Jahre arbeiten – als Pfarrer. Seine Wohnung im Pfarrhaus hat er bereits bezogen. In Dittersdorf hat er sich schon vorgestellt. In den nächsten Tagen wird er auch die anderen Orte besuchen, die zum Kirchspiel Glashütte gehören. Ob er dabei überrascht wird? Wohl kaum.

Der 49-jährige gebürtige Görlitzer ist in Sachsen schon viel rumgekommen. Er hatte auch zwei Pfarrstellen im Erzgebirge inne, vier Jahre war er Pfarrer in Tannenberg, siebeneinhalb in Sehma. „Da habe ich schon erlebt, dass Erzgebirge nicht gleich Erzgebirge ist.“ Jeder Ort hat da seine Eigenheiten. Er habe Dörfer kennengelernt, wo die Menschen sehr verschlossen waren, in anderen Orten waren die Leute im besten Sinne konservativ. „Ich habe aber auch finsteren Aberglauben erlebt.“

Sehr gern erinnert er sich an seine erste Pfarrstelle. „Dort haben wir mit der Kommune wunderbar zusammengearbeitet.“ Das ging soweit, dass Kirche und Gemeinde gemeinsam einen Mitarbeiter angestellt und sich gegenseitig mit Technik unterstützt haben. „Das hat vor allem deshalb funktioniert, weil der Bürgermeister auch in der Kirchgemeinde aktiv war“, erzählt Liewald. Obwohl der Pfarrer einen zurückhaltenden Eindruck macht, ist er keineswegs menschenscheu. Das zeigt auch ein Blick auf seinen Lebenslauf.

Nach seiner Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenmonteur mit Abitur arbeitet er als Hilfspfleger im Fachkrankenhaus Großschweidnitz. „Ich wollte Psychologie studieren, dachte, es wäre eine gute Vorbereitung für mich“, erzählt er. Hier hat er dann den Menschen getroffen, der ihm nahelegte, statt eines Psychologie- eher ein Theologiestudium aufzunehmen. Und je länger Uwe Liewald darüber nachdachte, desto mehr fand er daran Gefallen. Denn ihn bewegten auch Glaubensfragen.

„Ich habe das Differenzieren gelernt“

„Beim späteren Theologiestudium habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Klärung einer Frage drei neue aufwirft“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Vom Glauben brachte ihn das aber nicht ab. Allerdings traf er beim Studium wieder einen Menschen, der ihn beruflich umstimmen sollte. „Eigentlich wollte ich nach dem Theologiestudium nicht Pfarrer werden“, erzählt er. Dass er sich danach doch dafür entschied, lag an einem alten Pfarrer, den er während eines Praktikums kennengelernt hatte und den er bei seiner Arbeit unterstützen durfte. Da merkte er, dass der Pfarrberuf seine Berufung ist.

Doch die musste warten. Denn um als Pfarrer arbeiten zu können, muss man sich nach dem Studium als Vikar darauf vorbereiten. Als Uwe Liewald seinen Abschluss in der Tasche hatte, fand er keine freie Vikarstelle. Deshalb fing er als Sozialarbeiter in Leipzig an. Er arbeitete bei der Heilsarmee und kümmerte sich um Asylbewerber, die zu 90 Prozent Moslems waren. Nach einem Jahr wechselte er zur Kirchlichen Erwerbsloseninitiative, die der Nikolai-Kirchen-Pfarrer Christian Führer ins Leben gerufen hatte. Uwe Liewald kümmerte sich um gestrauchelte Jugendliche und versuchte, sie aus dem gesellschaftlichen Abseits zu holen und für speziell auf sie zugeschnittene Kurse zu motivieren. „Von zehn haben es drei geschafft“, sagt er. Er hat auch Jugendliche getroffen, die den Drogen hoffnungslos verfallen waren. „Ich habe sie verrecken gesehen. Das war richtig gruselig“, erinnert er sich. Und das ließ ihn auch zweifeln, ob er genug getan habe. Letztlich kam er doch zum Schluss, dass er zumindest einigen helfen konnte.

Seine unterschiedlichen Lebenserfahrungen haben ihn geprägt. Hellhörig werde er, wenn Gruppen pauschal beurteilt werden. Denn das lehnt er ab. „Ich habe das Differenzieren gelernt.“ In jeder Gruppe gibt es solche und solche. Ihm ist es wichtig, dass man miteinander ins Gespräch kommt. Das funktioniert, wenn man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen kann. So will er es auch in Glashütte handhaben. Er hofft, dass er das Gemeindeleben beflügeln kann. Nach der Wende wurde vieles in Ordnung gebracht, Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser wurden saniert – von Fachfirmen. Zu DDR-Zeiten war das anders. Da gab es Baurüstzeiten, in denen die Kirchenmitglieder selbst anpackten. Das habe eine Verbundenheit zur Kirche geschaffen, die er heute eher selten spürt. Kirchenmitglieder sprechen von „der“ statt von „ihrer“ Kirche. Er möchte das ändern und auf Leute zugehen, sie fragen, wie sich einbringen könnten, zum Beispiel ob sie die Stühle im Gemeindesaal reparieren können. Und er hat noch andere Ideen. Man darf gespannt sein.