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Ein Schwimmbad mit ärztlicher Aufsicht

Vor 130 Jahren gründete Walter Freise eine Kaltwasser-Heilanstalt. Das Bad war bei den Görlitzern sehr beliebt. Seit 1996 verfällt es.

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Von Hans Schulz

Im 19. Jahrhundert wandelten sich die Vorstellungen von Hygiene und Gesundheit. Da die meisten Wohnungen nicht über ein Bad verfügten, wurden öffentliche und private Badeanstalten eingerichtet. In Görlitz gab es die Badeanstalt Hoffmann am Lindenweg, das Zentralbad in der Hospitalstraße und ab 1887 das Freisebad.

Benannt ist letzteres nach dem Begründer, Sanitätsrat Dr. Walter Freise. Er wurde am 26. November 1856 in Magdeburg geboren und studierte Medizin. Nach Ablegung seines Staatsexamens trat er in den Militärdienst ein. Zwei Reisen führten ihn nach Indien, Japan, Amerika, Afrika, Griechenland und die Türkei. Nach seiner Rückkehr trat er als Assistenzarzt am Krankenhaus Berliner Straße in den Dienst der Stadt Görlitz. 1885 ließ er sich als praktischer Arzt an der Promenade nieder, heute Dr.-Kahlbaum-Allee. 1887 gründete er dort als Haus Nummer 13 seine Kaltwasser-Heilanstalt.

Der Standort war gut gewählt. Einerseits galt die 1829 angelegte Promenade zusammen mit dem Stadtpark als beliebter Flanierweg. Andererseits durfte die nur wenige Meter entfernte Nervenheilanstalt für das Unternehmen des Mediziners Freise wichtig gewesen sein. Hier wurden Wannen-, Dampf-, und Heißluftbäder angeboten. Dem medizinischen Charakter entsprechend gab es Sole-, Fichtennadel-, Moor- und Kräuterbäder. Ergänzt wurde das Angebot durch elektrische Licht- und Kohlesäurebäder. Im Gegensatz zu anderen Badeanstalten stand hier aber auch von Beginn an eine Schwimmhalle bereit. Das Becken war sowohl für Nichtschwimmer als auch für Schwimmer ausgerichtet.

Freise führte das Bad bis 1905. Er starb 1918. Die Schwimmhalle erwies sich als kein gewinnbringendes Unternehmen, daher konnte der Gründer der Anstalt den Betrieb nicht fortsetzen. Doch es gründete sich ein Verein, der trotz weiterer Verluste den Betrieb aufrechterhielt. 1919 waren alle Mittel erschöpft, der Verein bot das Bad der Stadtverwaltung zum Kauf an. Diese hat schon seit 1901 durch jährliche Zuschüsse das Unternehmen gestützt. Seit dem 1. April 1920 führte die Stadt das Freisebad im Sinne des Begründers fort.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erfreute sich das Freisebad großer Beliebtheit. Zuletzt beherbergte das Haus Dampfbad, Sauna, Duschen, Wannenbäder, ein Solarium und das Schwimmbecken. 1990 wurden sogar FKK-Badetage getestet. Sehr zum Leidwesen der Nutzer wurde das Görlitzer Freisebad am 31. März 1996 aber durch die Stadtverwaltung geschlossen.