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Ein Schoß aus Holz und Kokons

Es ist Kunstsommer am Roten Haus. Die Künstler zeigen ihre Arbeiten und laden zum Mitmachen ein.

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© Andreas Weihs

Von Susanne Plecher

Moritzburg. Schöner könnte die Lage für Martina Beyer kaum sein. Bevor der große Trubel losging, sprang sie schnell in den Dippelsdorfer Teich und genoss den Morgen eines heißen Tages im Wasser mit Blick ins vielfältige Grün. Anders dürften es Max Pechstein, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner in der Sommerglut auch nicht gemacht haben. Die Brücke-Künstler genossen die Vorzüge der Moritzburger Landschaft von 1909 bis 1911, einer Zeit, in der sie befreit von zivilisatorischen Zwängen an gleicher Stelle lebten und arbeiteten.

„Es ist herrlich hier“, sagt Martina Beyer, fast ein bisschen wie Sommerfrische. Kurz nach dem Bad kam ein Transporter mit ihrer Holzplastik – und brachte die Arbeit. Nur zum Lebensgenuss ist Martina Beyer schließlich nicht nach Friedewald gekommen. Sie ist eine der insgesamt vier Künstlerinnen, die die erste Halbzeit des diesjährigen Kunstsommers im Roten Haus mit Herz, Seele und ihren Arbeiten füllen.

Die Holzplastik der Wahl-Dresdnerin heißt „Schoß“. Sie ist so großformatig, dass sie das elf Quadratmeter große Atelier der Künstlerin in Trachenberge fast saugend ausfüllte. Dort hat sie sie aus unzähligen Palettenleisten zusammengeschraubt und mit der Kettensäge organische Rundungen herausgearbeitet. Man darf den „Schoß“ berühren, darauf Platz nehmen, sich sein Innenleben anschauen. Bemerkenswert ist der Schattenwurf in seinem Inneren. Querverstrebungen und aufgefächerte Leisten verleihen ihm eine technische, fast grobe Struktur, die einen reizvollen Kontrast zur glattgeschliffenen Oberfläche bildet. „Ich habe früher viel mit Altären gearbeitet. Die sehen hinter den schön gestalteten Fronten ganz ähnlich aus“, sagt die 1980 in Lohr am Main geborene Künstlerin. Ihren „Schoß“ will sie in Friedewald fertigstellen. Ihr schwebt eine Ergänzung der Plastik durch eine großformatige Zeichnung vor.

Bis zum 17. Juli wird sie mit der Malerin Steffi Köhler, dem Fotografen Erik Engelhardt und Alexandra Wegbahn, die Grafiken und Raumarbeiten gestaltet, im und am Roten Haus arbeiten und ihre Werke unter dem Titel „Gezeiten“ ausstellen. An den Wochenenden sind die Räume offen. Alexandra Wegbahn hat an den Bäumen der Liegewiese riesige trichterförmige Kokons aufgehängt. Sacht schwingen sie inmitten der Badegäste in der Sommerbrise. Die fünfteilige Außenrauminstallation hat etwas von gigantischen Zipfelmützen, die jemand zum Trocknen ins Freie gehängt hat. Man darf hineinschlüpfen und sich im doppelten Wortsinn behütet fühlen.

„Das ist unser Anliegen“, sagt Gundula Bleul. „Wir möchten den authentischen Ort, an dem die Brücke-Künstler gearbeitet haben, mit dem heutigen aktiven künstlerischen Schaffen verbinden.“ Die Kulturlandschaft Moritzburg, deren Geschäftsführerin sie ist, veranstaltet den Kultursommer bereits zum vierten Mal. Das regionale und überregionale Interesse hat sich stabilisiert und spürbar zugenommen, vor allem, seit der Brücke-Weg im Frühjahr vergangenen Jahres eröffnet wurde. Wer ihn beschreitet, kann an 15 Standorten in und um Moritzburg – anhand von Tafeln oder Rahmen – die Schaffensorte der Brücke-Künstler nachvollziehen und wird ganz automatisch zum Roten Haus geleitet.

Dort kommen auch Gäste mit profaner Bade-Absicht an. Wenn sie möchten, können sie zuschauen, wie Kunst entsteht, dürfen sie anfassen, ausprobieren und mit den Kunstschaffenden ins Gespräch treten. Es sind auch diese zufälligen Begegnungen, auf die es der Kunstsommer abgesehen hat. Wer gezielt kommt, kann sich von den Künstlern etwas beibringen lassen. Eine erkleckliche Anzahl von Workshops bietet dazu bis zum 28. August, an dem der Kunstsommer endet, Gelegenheit. Martina Beyer hatte am vergangenen Wochenende zum Porträtzeichnen eingeladen. Wie ein Stillleben komponiert wird, zeigt Alexandra Wegbahn an diesem Sonntag von 10 bis 16 Uhr. Im Vordergrund stehen das Beobachten von Licht und Schatten, Farben, Größen, Formen und das Zusammenspiel der Komposition. Die Teilnehmer können mit unterschiedlichen Techniken arbeiten. Der Workshop ist auch für Kinder ab sechs Jahre geeignet. Erwachsene zahlen 15 Euro, Kinder zehn.